Bunt macht einfach Spaß

Bei strahlendem Wetter feiern 4.000 TeilnehmerInnen und rund 600.000 ZuschauerInnen den Karnevalder Kulturenin Kreuzberg

Wer selbst nicht so bunt ist, besorgt sich eben was Foto: Bernd König/imago

Von Serdar Arslan

„Bunt“ war das Stichwort des Straßenumzugs beim Karneval der Kulturen (KdK), das wurde bereits bei der ersten Gruppe des Festumzugs, Sapucaiu no Samba, der Sambaschule aus Berlin, deutlich. Ihre grün-orangefarbenen Kostüme und die Trommelspieler sorgten schon zu Beginn dafür, dass Hunderttausende den Umzug am Sonntag nach Kräften bejubelten. Bunt durcheinandergewürfelt waren auch die darauf folgenden Gruppen, es ging von Ghana über die Ukraine nach Südkorea.

Zum 23. Mal fand der Karneval der Kulturen statt, das viertägige Straßenfest rund um den Blücherplatz in Kreuzberg mit dem Umzug am Sonntag als Höhepunkt. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Debatten um die Veranstaltung gegeben, ausgelöst von Kritik, die 2015 aus den Reihen der langjährigen Umzugs­teilnehmerInnen selbst kam. Angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung des Events sahen sie sich mit ihren Botschaften und Anliegen an den Rand gedrängt und vor allem: nicht ausreichend unterstützt. Die Stadt erwirtschaftet beim Karneval nach Berechnungen der Investitionsbank Berlin jährlich über 4 Millionen Euro, unterstützt das Fest allerdings nur mit 830.000 Euro im Jahr.

Von finanziellen Problemen aber ließen sich 68 Umzugsgruppen und über 4.000 Karnevalisten nicht beirren. Ihr musikalisches Angebot reichte von traditioneller Volksmusik bis Technomusik. 13 Gruppen nahmen erstmals am KdK teil. Nach Angaben der Veranstalter und der Feuerwehr auf Twitter genossen mehr als 600.000 Menschen das Spektakel.

Calle Weckerling war das erste Mal als Besucher beim Karneval der Kulturen. „Als Rheinländer war ich natürlich schon auf dem Karneval“, erzählte er lachend. Der politische Hintergrund des Festes sei ihm sehr wichtig, aber der Spaß stehe schon im Vordergrund.

Ein alter Hase ist dagegen Jürgen Haarhuis. Er war seit dem ersten Umzug 1996 jedes Jahr dabei und beobachtete das Geschehen auch in diesem Jahr von seinem Stammplatz am Südstern. „Ich freue mich über das Exotische und empfinde den Straßenumzug als Highlight des Karnevals“, fasste er zusammen.

Der diesjährige Umzug verlief erstmals in umgekehrter Richtung, von der Yorckstraße ging es zum Hermannplatz. Damit wollten die Veranstalter das Straßenfest besser vom Umzug trennen. Torsten Wöhlert, Staatssekretär für Kultur, befand, dies habe bestens funktioniert. Mit dunkler Sonnenbrille im Gesicht stand er am Südstern und betrachtete die vorbeiziehenden Gruppen. „Der Karneval fand dieses Jahr unter besonderen Bedingungen statt, nämlich das erste Mal unter der Leitung der Kulturverwaltung“, erklärte er. Nach seiner Ansicht hat man davon nicht viel gemerkt. „Geht doch!“, urteilte er zufrieden.

„Es war ein grandioser Umzug“, befand am Montag Karnevalsleiterin Nadja Mau bei der Bekanntgabe der Siegergruppen. Wie immer vergab die Jury sieben mit 1.000 Euro dotierte Preise in Kategorien wie Nachhaltigkeit, Kostüme, Musik, Wagenbau etc. Ausgezeichnet wurden unter anderem die Gruppen „Agua y Techo“, „Love Korea!“, „Comparsa Chamanes e.V. feat Samuel`s Berlin“ und „Brazukaiada e Capoeira Nagô“.

Leer gingen die Jugendlichen von „KIDZ44 – Wir sind Neukölln“ aus, die sich mit ihrer Darbietung besonders viel Mühe gegeben hatten. Auf ihrem bunt bemalten Umzugswagen spielte ein eigenes Jugendorchester, live gesungen wurde ebenfalls.

Wer am Karneval früher vor allem die politischen Performances schätzte, wurde auch in diesem Jahr wieder enttäuscht. Zwar gab es vereinzelt inhaltliche Botschaften. So verkleideten sich die Teilnehmer der Gruppe #wasbewegtdich als Meeresbewohner und imitierten mit ihrem Tanzstil Schwimmbewegungen, während ein mit Plastik überzogenes Fischernetz sie daran hinderte, weiter zu tanzen. Doch die meisten Gruppen kamen ohne politische Botschaft aus. In erster Linie ging es um den Spaß.

Man kann dies, so man will, auch positiv sehen, und sagen: Multikulti ist – trotz AfD und Heimatminister – längst gesellschaftliche Normalität und Realität geworden, das kann man einfach mal feiern.

Seit sechs Jahren ist deshalb auch Jonas Rabe Zuschauer beim Straßenumzug. „Ich kenne die politische Debatte um den Karneval“, sagte er. „Ich glaube aber, dass der Karneval in dieser Form einzigartig ist und das bunte Gesicht Berlins widerspiegelt.“

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