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: So was von welthaltig

Foto: ­Nickodemus: „A Long ­Engagement“ (Wonderwheel/Groove Attack)

Die Vokabel „welthaltig“ war ja vor einiger Zeit schwer en vogue, und wenn man das vierte Album des New Yorker DJs und Musikers Nickodemus hört, bekommt man eine Idee davon, was der Begriff bezeichnen könnte. Auf „A Long Engagement“ legt Nickodemus, der seit den Neunzigern in der internationalen Clubszene unterwegs ist, 13 Stücke vor, die stilistisch fast alles abbilden, was ihm auf seinen Reisen um die Welt begegnet ist.

Da sind catchy Funk-/Soul-/Disco-Nummern wie „Will You Still Be Here?“ (ein gemeinsam mit der US-Funkband The Pimps Of Joytime eingespielter Song), da stehen Sounds aus dem Nahen Osten wie das famose „Do You Do You?“ (mit Carol C & The Spy From Cairo) neben experimentellen Stücken wie „The Crow“. Da gibt es karibische Rhythmen ebenso wie afrikanische Gesangstraditionen („Mystic Molay“).

Und gegen Ende sticht noch eine überraschende Kollaboration mit Grey Reverend aus Philadelphia hervor, den man eigentlich als Folk-Indie-Musiker kennt. „Music Man“, der Track der beiden, bewegt sich dann auch zwischen House und Folk, und Reverend konstatiert darin: „Language is the hindrance / Music is the tolerance“ – und auch diese Aussage hat durchaus etwas Welthal­tiges an sich. Jens Uthoff

Sonnengetränkte Melancholie

­Lily Dahab: Bajo un mismo cielo (Herzog Records/Edel), erscheint am 8. Juni

In ihrer Welt gebe es weder Grenzen noch Flaggen, auch die Hautfarbe oder Religion spiele keine Rolle, singt Lily Dahab mit ihrer hohen, ätherischen Stimme im Titelstück ihres neuen gleichnamigen Albums „Bajo un mismo cielo“ (dt.: „Unter einem gemeinsamen Himmel“), während sich sanfte Jazzklänge mit dem Chacarera-Rhythmus aus dem argentinischen Norden mischen. Die Eigenkomposition ist das programmatische Plädoyer einer Gesangskünstlerin, deren Großeltern einst aus der Türkei und Syrien nach Buenos Aires auswanderten, bevor sich Lily auf den umgekehrten Weg begab und über Spanien schließlich in Berlin landete.

Auf ihrem nunmehr dritten Album widmet sie sich weniger dem Liedgut ihrer Heimat wie noch auf dem Vorgänger „Huellas“, sondern streift zusammen mit ihrem Partner, dem Pianisten Bene Aperdannier, durch die musikalische Schatzkammer Lateinamerikas – vor allem Brasiliens. Lily Dahabs Faible für Melancholie ist dabei ebenso unüberhörbar wie ihr Wunsch, „etwas mehr Sommer“ in die Aufnahmen zu bringen. Ole Schulz

Toller Tuareggae

Foto: Bombino: „Deran“ (Partisan Records)

Die Rockmusik der Tuareg hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Entwicklung genommen. Bands wie Tinariwen oder Imarhan begeistern ein internationales Publikum, indem sie Wüstenrock und Blues zusammenbringen und dabei über ihre Flucht- und Exilerfahrungen singen. Ein Großer des Genres ist Bombino, in Niger geborener Targi, der früher mit der Band Tidawt unterwegs war und heute Alben unter seinem Kinder-Nickname Bombino veröffentlicht.

„Deran“, sein in diesen Tagen erscheinendes sechstes Album, zeigt, dass die Tuareg-Musiker Wiederholungen nicht mögen. Darauf spielt Bombino eine hochspannende Fusion aus Reggae, Afro­beat und Wüstenrock, die noch mal in eine andere Kerbe haut als das, was man bislang aus dem Genre zu hören bekam. Zuletzt hat Bombino mit Dirty-Projectors-Mastermind Dave Longstreth zusammengearbeitet, das klingt durch – genauso wie eine Sehnsucht nach einem einfachen, friedlichen Leben („Vergiss nicht die grünen Bäume / in den Sahara-Tälern / in deren Schatten / die schönen Mädchen geblieben sind“, singt er in etwa in „Tehi­gren“). Dazu frische Bluesriffs, tolle Gitarrenläufe. Macht Spaß. Jens Uthoff