heute in hamburg
: Was von Marx übrig blieb

taz Salon „Die nächsten 200 Jahre Marx“ mit Ulrike Herrmann und Gerd Konen, Moderation: Stefan Reinecke,

19.30 Uhr,

Kulturhaus 73, Schulterblatt 73

Die Marx-Festspiele sind in vollem Gange, die Feuilletons voll mit gewogenen Texten über die prognostische Kraft von Karl Marx. Im ZDF gibt Mario Adorf den Theoretiker als freundlichen, älteren Herrn.

Dabei schien nach 1989 alles, was mit Marx zu tun hatte beerdigt und begraben. Mit dem autoritären Realsozialismus war scheinbar auch die Kapitalismuskritik untergegangen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die euphorische Erwartung, dass die Marktwirtschaft einen globalen, rauschenden Siegeszug antreten würde, hat viele Dämpfer bekommen. Die Finanzkrise hat ganze Volkswirtschaften beschädigt. Die Erkenntnis, dass Krise zum Kapitalismus gehört wie Regen zu Hamburg, ist mittlerweile wieder Allgemeingut. Sogar FAZ-Herausgeber beschlich angesichts des Desasters der Bankenkrise das Gefühl, dass die linken Kapitalismusskeptiker doch recht hatten.

Auch das westliche Bürgertum, so Gerd Koenen, hat, oft ohne es zu merken, eine Reihe marxscher Begriffe übernommen. Der Frankfurter Historiker ist einer der besten Marx-Kenner hierzulande und ein scharfsinniger Kritiker linker Ideologieversatzstücke. 2017 erschien sein Opus magnum „Die Farbe Rot“, ein essayistischer Rundgang durch die Geschichte der Utopien – und ein kritisches Resümee jener vollständig (oder halb wie in China) untergegangenen marxistisch-leninistischen Regime. Und eine Rekonstruktion der intellektuellen Produktivkraft von Karl Marx. „Arbeit, Mehrwert, Kapital, Klasse, Eigentum, Entfremdung, Profit und selbst Fall der Profitrate haben empirisch und analytisch durchaus Bestand“, so Koenen.

Mit ihm diskutiert Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der taz und Autorin des Buches „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“, eines klugen, verständlichen Streifzugs durch die Geschichte der Versuche, den Kapitalismus zu verstehen – von Adam Smith über Marx bis Keynes. „Marx war der erste Ökonom, der die Dynamik des Kapitalismus richtig beschrieben hat“, schreibt Herrmann. Er sei schon vor 150 Jahren weiter gewesen als viele Volkswirte heute, habe klar erkannt, dass der Kapitalismus ein globales System ist, das in jede Nische der Erde vordringt. „Er hat richtig prognostiziert, dass es echten Wettbewerb nicht gibt, sondern dass am Ende nur wenige Großkonzerne übrig bleiben, die die Wirtschaft kontrollieren.“

Aber: Ist die derzeitige Marx-Renaissance mehr als Mode? Kann man mit Marx, jenseits des Staunens über dessen visionäre Kraft und stilistische Brillanz, 2018 noch etwas anfangen, um den digitalen Kapitalismus zu begreifen? Kann man schließlich Marx vom Marxismus mit alle seinen totalitären Verhärtungen trennen? Um diese Fragen wird es heute Abend im taz Salon gehen.