Kaum noch „altes Eis“ am Nordpol: Die Arktis hat ein Demografieproblem

Laut einer Studie sind nur noch zwei Prozent des Arktiseises älter als vier Jahre. Forscher sehen darin eine Gefahr für Klima und Ökosysteme.

Eisbär steht auf einer Eisscholle

Vorsicht, Herr Eisbär! Das Arktiseis wird immer jünger und brüchiger Foto: dpa

BERLIN taz | Das einst „ewige“ Eis rund um den Nordpol wird immer jünger. US-Forscher*innen der Universität Colorado haben ermittelt, dass nur noch 2 Prozent der Eisdecke älter als 4 Jahre ist. Zum Vergleich: 1984 – zu Beginn der Aufzeichnungen – gab es Anfang März noch mehr als 30 Prozent „altes Eis“. So niedrig wie aktuell war der Bestand noch nie. Wissenschaftler*innen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) warnen vor Auswirkungen auf das Weltklima und die polaren Ökosysteme. Denn für das Klima spielen die Dichte und die Wanderbewegung des Eises eine wichtige Rolle.

Der Weg des neugebildeten Eises beginnt jedes Jahr in den Flachwasserregionen vor Sibirien, sagt Torsten Kanzow, der am AWI lehrt. Es folgt den Meeresströmungen und staut sich vor Nordgrönland. Hier ist Kanzow zufolge das dichteste und älteste Eis zu finden, das im Schnitt die doppelte Dicke von jungem Eis erreicht. Die Verjüngung des Bestandes hat demnach zur Folge, dass das Eis instabiler wird. Es bricht schneller und wandert aus den kalten Regionen in wärmere Gefilde ab, sagt der Forscher. Deshalb schmelze das Eis noch schneller als bisher.

Vor diesem Hintergrund stelle das Verschwinden des alten Eises das polare Ökosystem vor große Probleme, sagt Polarmeerforscherin Anya Waites. „Die Ausweitung der offenen Wasserflächen ist ein Risiko für Eisbären und Narwale“.

Bedrohung für das „unsichtbare“ Ökosystem

Mit dem Eis gingen Jagdgründe und Zufluchtsorte verloren. Doch die Gefahren für die Säuger seien lediglich “Symptome“ einer viel größeren Bedrohung der „unsichtbaren“ Teile des polaren Ökosystems. In altem Eis lebten Algen, die Sonnenenergie für das System speichern und die Nahrungsgrundlage für Plankton und Fische bilden.

Um die Folgen der Verjüngung des Arktiseises besser zu verstehen ist laut Waites aber noch mehr Forschung notwendig. „Wir verstehen zu wenig vom Wandel in der Arktis und gleichzeitig vollzieht er sich so schnell. Als Wissenschaftler rennen wir da immer hinterher.“ Die Forscher der Universität Colorado stellen übrigens keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Verjüngung des Eises her. Allerdings weisen sie in der Studie auf ungewöhnlich hohe Temperaturen an den Messorten hin.

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