Jens Müller
Der Wochenendkrimi
: Nicht Neues im Norden, außer:
Tod auf dem Rotorenblatt

ErmittlerInnen mit Mord­werkzeug im Hintergrund: der HubschrauberFoto: Ulrika Malm/ZDF

Die Zahl der Fernsehkrimis ist Legion. Gestorben wird immer. Gerne auch im früher so heimeligen Bullerbü-Schweden. Längst gibt es ein eigenes Sub-Genre dafür: Nordic Noir. Da ist es inzwischen wirklich ein Kunststück, sich noch etwas Neues einfallen zu lassen. Zum Beispiel die vierteilige Miniserie „Midnight Sun“.

In Schwedens nördlichster Stadt ermittelt für die ARD seit Jahresbeginn schon „Rebecka Martinsson“. Und unter durch die Mitternachtssonne bedingter Schlaflosigkeit – „Insomnia“ – hatte bereits vor 20 Jahren die Polizeiarbeit von Stellan Skarsgård zu leiden. Damals mag die grenzübergreifende Zusammenarbeit der norwegischen und der schwedischen Polizisten ein Novum gewesen sein, heute ist das Standard („Die Brücke“, „The Tunnel“, „The Team“). Sogar die alte Tante „Polizeiruf“ hat sich zwischenzeitlich ein deutsch-polnisches Ermittlerduo zugelegt.

Morde werden überall längst von Frauen aufgeklärt, oft verhaltensauffällig („Kommissarin Lund“, „Kommissarin Heller“), wenn nicht autistisch („Die Brücke“). Und selbst beim FBI haben die fähigsten Agenten Migrationshintergrund („The Looming Tower“).

Kurz: Wenn also in „Midnight Sun“ ein französischer Staatsbürger in Kiruna auf ziemlich unnatürliche Weise sein Leben aushaucht; wenn daraufhin eine toughe französische Polizistin maghrebinischer Herkunft, die sich ritzt, deren tatsächlicher Sohn als ihr vermeintlicher Bruder aufgewachsen ist, sich auf den Weg nach Schweden macht; wenn sie dort mit einem Staatsanwalt zusammenarbeitet, der, als ihm die Leitung der Ermittlungen übertragen wird, zuerst seine Tochter anrufen muss, damit sie ihm versichert, dass er gute „Arme Ritter“ macht – dann kommt einem das alles recht bekannt vor.

Wirklich neu und originell, das muss man den Machern von „Midnight Sun“ (Måns Mårlind, Björn Stein, „Die Brücke“) lassen, ist allerdings die in der Eröffnungssequenz sorgsam zelebrierte Mordmethode. Dafür, für diese wenigen Momente des angsterfüllten Ausdrucks in Erwartung eines fiesen Todes (kleiner Spoiler: er hat es verdient), hat man auch keine Mühen (und Kosten?) gescheut, den französischen Arthouse-Schauspieler Denis Lavant zu engagieren. Ganz langsam entfernt sich die Kamera, wird aus der Großaufnahme von Lavants Gesicht eine Totale. Die erkennen lässt, dass er auf das Rotorenblatt eines Hubschraubers gefesselt ist. Der Motor wird eingeschaltet, der Rotor beginnt sich zu drehen, immer schneller und schneller …

„Midnight Sun“, 4 Teile, So., 22 Uhr, ZDF