Nach Wahlsieg der Opposition: Malaysias Anwar Ibrahim ist frei

Hinter der Begnadigung des Reformpolitikers steckt mit Mahathir Mohamand ausgerechnet derjenige, der ihn vor zwanzig Jahren einsperren ließ.

Anwar Ibrahim spricht in ein Mikro

Anwar Ibrahim kurz nach seiner Freilassung am Mittwoch neben seiner Frau Wan Azizah Wan Ismail in Kuala Lumpur Foto: Lai Seng Sin/Reuters

KUALA LUMPUR taz | Alles ist außergewöhnlich groß, als der charismatische Anwar Ibrahim am Mittwochmorgen als freier Mann das Krankenhaus Cheras in Kuala Lumpur verlässt, wo er unter Bewachung gestanden hatte: die Meute der Kamera- und Fotoreporter, der Jubel der Fans und auch das Aufgebot der Polizei. Anwar war am Mittwoch von König Mohammed V. begnadigt worden.

Die Haftentlassung des 71-Jährigen ist ein weiterer Höhepunkt der Befreiung Malaysias vom autoritären und korrupten Regime von Premierminister Najib Razak. Das wurde am 9. Mai in einer historischen Wahl ins politische Nirwana geschickt.

2014 hatte ein Berufungsgericht auf Betreiben von Najib Anwar zu fünf Jahren Haft wegen angeblicher Homosexualität verurteilt. Die ist in Malaysia strafbar.

Der Gründer der Reformasi-Bewegung verlor so sein Abgeordnetenmandat und das Recht, bei der Parlamentswahl 2018 erneut zu kandidieren. Genutzt hat dem Regime die Ausschaltung seines gefährlichsten Gegners nichts.

Anwar symbolisiert die Sehnsucht nach einem anderen Land

Vielmehr wurde Anwar zur Symbolfigur der Sehnsucht vieler Malaysier nach einem Land, auf das sie stolz sein können, statt sich für die Exzesse der Korruption und der Verfolgung von Regierungskritikern schämen zu müssen.

Dabei hat Anwars Freilassung auch absurde Züge. Denn bei seiner Vorfahrt zum Königspalast wurde er von seinem vom Mentor zum Erzfeind und wieder zum besten Freund mutierten, frisch bestallten Premierminister Mahathir Mohamed, 92, empfangen.

Anwar Ibrahim wurde zum Symbol der Sehnsucht nach Freiheit der Malaysier

Der hatte als Premierminister Ende der 1990er Jahre seinen damaligen Stellvertreter Anwar wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Zukunft Malaysias erst aus der Regierung geworfen und dann in den Knast gebracht – ebenfalls wegen angeblicher Homosexualität.

Gut achtzehn Jahre später setzte sich Mahathir angewidert von der Korruption von Najib an die Spitze der Opposition, um genau für die Reformen des politischen Systems, der Justiz und der Medien zu kämpfen, derentwegen er seinerzeit Anwar brutal kaltgestellt hatte.

Ex-Kontrahenten geben sich versöhnlich

Anwar und Mahathir geben sich heute versöhnlich. Der Machtwechsel sei ohne die „neue Partnerschaft“ mit Mahathir nicht möglich gewesen, versicherte Anwar nach seiner Freilassung.

Mahathir sagte kurz und bündig: „In der Vergangenheit, so sagt man, habe ich ihn ins Gefängnis gebracht. Jetzt habe ich ihn freigelassen.“

Malaysias Reformregierung steht weiter zu ihrem Versprechen, den populären Anwar nach seiner Haftentlassung zum Premierminister zu machen. Nur nicht sofort. Mahathir will „ein bis zwei“ Jahre auf dem Chefsessel bleiben.

Anwar will sich erst von den Strapazen der Haft erholen und dann auf Vortragstournee durch amerikanische Universitäten und muslimische Länder gehen.

Anwars Gattin wird zunächst Vizepremierministerin

Dafür, dass Mahathir derweil nicht übermütig wird, sorgt Anwars Gattin Wan Azizah Wan Ismail als stellvertretende Premierministerin.

In die freigewordene Zelle im Knast könnte bald Najib wegen seiner Verstrickung in den Korruptionsskandal um die verschwundenen Milliarden aus dem staatlichen Investitionsfonds 1MDB einziehen.

Gegen Najib verhängte Mahathirs Regierung als eine ihrer ersten Amtshandlungen bereits ein Ausreiseverbot. Mahathir sagt. „Wenn eine Situation entsteht, in der eine Verhaftung angesagt ist, wird sie vollzogen.“

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