berliner szenen
: Die brennende Hand

An einem dieser heißen Tage betrat ich ein Café am Spreewaldplatz. Mein Sonnenbrand ließ mir einfach keine Wahl. Ich dachte zurück an meinen jugendlichen Leichtsinn, der mich damals immer auf die Sonnen­seite trieb. Mit Schatten konnte ich nichts anfangen. Und jetzt die Strafe: So rot wie der Aperol Spritz, den ich gestern Abend noch getrunken hatte, sah nun meine glühende Haut aus. Dass ich aber die Hitze gegen ein Absurdistan tauschen würde, wusste ich noch nicht, als ich den ersten Schritt ins schattige Café setzte.

Zuerst fiel mein Blick auf einen alten Mann, der an einem großen Holzstück schnitzte. Auf seiner Schürze, die er für diese Arbeit trug, hatten sich un­gezäh­lte Späne versammelt. Plötzlich schaute er hoch zu mir und sagte: „Ist eine echte Eiche. Riech mal!“ Erwartungsvoll hielt er das Holz in meine Richtung. „Ja, riecht nach Baum“, sagte ich und setzte mich an den Nebentisch. Wenig später betrat eine junge Frau das Café. Sie fluchte auf Französisch und hob dabei ihre rechte Hand, die banda­giert war. Sie setzte sich an den Tisch hinter mir und fluchte weiter. Ja, dieses dunkle Café war echt zum Fluchen, aber konnte sie damit nicht mal aufhören? Sie hatte doch selbst beschlossen, die Sonnenseite zu verlassen. Ich bestellte mir eine Zitronenlimonade und versuchte, mich auf die Zeilen der Zeitung zu konzentrieren.

Irgendwann glaubte ich, das Drumherum ausblenden zu können, als mir plötzlich ein ver­brannter Geruch in die Nase stieg. Ich schaute zum alten Mann, doch das Holz war unver­sehrt. Dann drehte ich mich um und sah den Verband der Frau brennen, in der anderen Hand hielt sie ein Feuerzeug. Ich schrie und schüttete ihr meine Limo über die bandagierte Hand. Als sie nicht mehr brannte, verließ sie, ohne zu fluchen, das Café. Eva Müller-Foell