Digitale Lebensretter aus dem Yabacon Valley

Die Start-up-Szene Nigerias boomt. Erfolgreich sind vor allem neue Anbieter von Finanzdienstleistungen. Alltagsprobleme werden digital einfacher und schneller gelöst

Lagos ist drittwichtigster Tech-Hub-Standort südlich der Sahara

Aus Lagos Katrin Gänsler

Auf der Dachterrasse des sechsstöckigen Gebäudes, die mit Kunstrasen ausgelegt ist, stehen Plastikstühle, ein paar Besucher unterhalten sich. Der Lärm der Millionenmetropole Lagos dringt hinauf aufs Dach. Das Gebäude liegt mitten in Yaba, der Keimzelle der nigerianischen Start-up-Szene. Der Stadtteil ist die Schnittstelle zwischen den Inseln und dem Festland.

2011 gründete sich mit dem Co-Creation Hub (CcHUB) das erste Technologie-Hub des Landes in Yabacon Valley. International bekannt wurde das Viertel, als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg Yaba 2016 besuchte. „Der Einfluss war massiv“, erinnert sich Adewale Yusuf, Herausgeber des Blogs techpoint.ng, an den Besuch des Erfinders des weltweit wichtigsten sozialen Netzwerks. „An dem Tag hatten wir fast eine Million Klicks auf unserer Plattform. Jeder wollte wissen, warum er kam, einer der reichsten Männer der Welt.“

Wenn Yusuf, der regelmäßig in das CcHUB kommt, darüber spricht, gerät er ins Schwärmen. „Das hat Bewusstsein geschaffen. Es war bahnbrechend.“

Ende März bekam die nigerianische Tech-Szene erneut internationale Aufmerksamkeit. Damals richtete das US-amerikanische Unternehmen Google das erste sogenannte Launchpad – eine Art Kreativwettbewerb – in Afrika aus. Drei Monate lang fördert das Unternehmen nun zwölf afrikanische Start-ups, die vor allem Finanzdienste anbieten, sich aber auch in der Unterhaltungsbranche etablieren wollen.

Lagos gilt nach Johannesburg und Nairobi als drittwichtigster Tech-Hub-Standort südlich der Sahara. Begonnen hat die Entwicklung mit dem elektronischem Warenhandel, sagt Blogger Yusuf. Ab 2012 boten die Unternehmen Jumia und Konga erstmals Online-Shopping in Afrikas einwohnerstärkstem Land an.

Es geht aber nicht nur um digitale Konsumangebote. Viele Ideen der Start-ups spiegeln die alltäglichen Herausforderungen des Landes wider.

So entstand beispielsweise die LifeBank Nigeria. „Die Gründerin ist die Schnittstelle zwischen der Blutbanken und Krankenhäusern“, sagt Damilola Teidi aus dem CcHUB. Wird etwa nach einem Unfall oder bei einer Operation Blut benötigt, dann stellt Life­Bank-Gründerin Temie Giwa-Tubosun sicher, dass das Krankenhaus einen passenden Spender findet. Dann organisiert sie den Bluttransport dorthin. Wie erfolgreich das Start-up ist, zeigt die finanzielle Lage der LiveBank Nigeria. Die Phase der Seed-Finanzierung, der Frühfinanzierung, schloss das Unternehmen mit einem Plus von 200.000 US-Dollar ab. Damit, sagt Teidi, könne die Geschäft auf andere Bundesstaaten ausgeweitet werden. Es wächst und kann nach und nach Mitarbeiter einstellen.

Geschäftsideen, die eigens für den afrikanischen Markt zugeschnitten sind, gibt es genug. Zu den bekanntesten und erfolgreichsten zählt etwa Sendy, ein Moped-Lieferservice in Kenias Hauptstadt Nairobi. Auch BudgIT, auf deren Homepage Haushaltsdaten gesammelt und verständlich aufbereitet werden, ist wirtschaftlich gut aufgestellt. Mit ihrer Idee wollen die Betreiber für Transparenz und politische Teilhabe sorgen.

Doch für die Umsetzung ist eine Finanzierung nötig. Wie viel Geld tatsächlich in die Start-ups fließt, lässt sich nur schwer schätzen. Während der US-amerikanische Risikokapitalgeber Partech Ventures für 2017 die Rekordsumme von 560 Millionen US-Dollar nennt, geht das Start-up-Portal Disrupt Africa lediglich von 195 Millionen US-Dollar aus. Deutlich ist aber: Der Markt wächst.

Laut Damilola Teidi braucht es dazu aber nicht nur ausreichend Kapital. Selbst in Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos müssen Jungunternehmer mit Arbeitsplätzen unterstützt werden, die Strom und verlässliches Internet bieten. Die Erfahrung dürfte helfen, um Offline-Strategien zu entwickeln, wenn Produkte Kunden außerhalb der Städte erreichen sollen. „Unternehmer müssen sehr clever sein, den Markt gut kennen und genau wissen, welche Art von Technologie passt“, sagt Teidi. Doch wenn es läuft, dann dürften die Start-ups gerade in Nigeria weitere Gründer motivieren: „Die Menschen lieben einfach Erfolgsgeschichten.“