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: Auf Hochdruck

The Commuter (USA 2017; Regie. Jaume Collet-Serra). Die DVD ist ab rund 13 Euro erhältlich

„The Commuter“ ist ein zugleich schlichtes und kompliziertes Vehikel. Als Thriller schafft der Film sich einen Plot drauf, der nicht raffiniert, aber so umwegig wie hirnrissig ist. Er hat was mit Verschwörung in höchsten Kreisen New Yorks, Netzen zwischen jetzigen und früheren Cops zu tun, genauer nachfragen sollte man nicht. Zum anderen will „The Commuter“ nur eins: Action. Genauer gesagt: Er will den unwahrscheinlichen Action-Star Liam Neeson in Situationen bringen, in denen er kämpft, schwitzt, mit knapper Not überlebt. Und so kompliziert das Vehikel auch ist, und so interessant die Frage ist, ob es für das Gelingen so kompliziert und so hirnrissig überhaupt sein muss: Das mit dem kämpfenden, schwitzenden, mit knapper Not überlebenden Liam Neeson kriegt der Film sehr eindrucksvoll hin.

Genauer gesagt: Sein Regisseur Jaume Collet-Serra kriegt es hin. Brillant ist schon die Anfangssequenz, die den Protagonisten Michael MacCauley (Neeson) auf seinem täglichen Weg aus einem Vorort nach Manhattan begleitet. Dabei werden unzählige Tage in einen geschnitten, eine Art Supercut eines sich täglich wiederholenden Lebens: im Schnittgewitter wechseln das Wetter, die Kleidung, Stimmung, Frisur, das Alter des Sohns. Von dieser geradezu experimentalfilmhaften Versammlung der diskontinuierlichen Zeit auf den kontinuierlichen Raum schaltet „The Commuter“ dann um auf die klassische Einheit von Raum, Zeit und Handlung.

MacCauley ist ein Mann unter immer weiter zunehmendem Druck. Erst verliert er seinen Job und traut sich nicht, es seiner Frau zu erzählen. Dann sitzt er im Zug. Eine mysteriöse Frau macht ihm ein Angebot, das er unter diesen Umständen nicht entschieden ablehnen kann. Er soll im Pendlerzug eine allen unbekannte Person ausfindig machen, die dann, das wird ihm bald klar, umgebracht würde. Dafür winkt ihm eine große Belohnung. Sinn ergibt dieser Plot nüchtern betrachtet weder hinten noch vorne noch erst recht in der Mitte. Regisseur Collet-Serra hat mit diesem Drehbuch nichts zu tun, aber er kann es gut gebrauchen.

Was er braucht, ist der Mann, ist der geschlossene Raum, ist die zusehends rasante Bewegung des fahrenden Zugs, ist die Logik des Krimis, der die Verdächtigen einen nach dem anderen dezimiert, ist die Methodik des Thrillers, der den Druck Schritt für Schritt steigert. Was er braucht, bekommt Collet-Serra vom trashigen Buch und baut eine Maschine daraus, der nur noch ein entscheidendes Element fehlt: die Kamera nämlich, die, selbst äußerst beweglich, im rasenden Vehikel alle natürlichen Hemmnisse hinter sich lässt.

Eine ununterbrochene Fahrt durch den Zug von vorn nach hinten gleich zu Beginn macht klar, dass der Raum, den der Film entwirft, sich der Kamera im Zweifel jederzeit beugt. Der Zug ist ein Abenteuerspielplatz, die Fahrgäste sind wuselndes Leben, bei dem hier und da haltgemacht wird, weniger weil die Geschichte es fordert, als deshalb, weil die abstrakten Rhythmen, in denen die Elemente von Raum und Zeit und Handlung auf Hochdruck gebracht werden sollen, es wollen. So ganz genau weiß man nie, was kommt. Einmal öffnet sich ein Deckel im Boden und da liegt eine Leiche. Manche Figuren kehren wieder, manche steigen aus, manche sieht man einmal und dann sind sie weg. Dass das alles zusammenhält, ist Collet-Serras Virtuosität zu verdanken, aber auch dem Stoizismus von Neeson. Er ist der Felsen, an dem sich die Fliehkräfte der filmischen Form brechen. Im Zusammenspiel mit der totalen Rücksichtslosigkeit gegenüber der Realität ergibt das einen sehr tollen Film. Ekkehard Knörer