„Keinen Strich machen“

Der Verein „Der Elefant“ kümmert sich seit zehn Jahren um das Anti-Kolonial-Denkmal am Hauptbahnhof. Vorsitzende Gudrun Eickelberg spricht über Erfolge und Hürden bei der Aufarbeitung der Bremer Kolonial-Geschichte

Ein Ort zum Abarbeiten: der Elefant Foto: wikimedia/Jürgen Howaldt

Interview Jens Fischer

taz: Frau Eickelberg, seit zehn Jahren kümmern Sie sich mit Ihrem Verein um das Elefanten-Monument am Hauptbahnhof, das 1990 von einem Kolonial- in ein Anti-Kolonial-Denkmal umgewidmet wurde. Was ist der größte Erfolg Ihrer Arbeit?

Gudrun Eickelberg: Als wir anfingen, hat das Thema in Bremen niemanden in den Behörden, Medien, Volksvertretungen interessiert. Seit ungefähr zwei Jahren aber ist die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit Bremens nicht mehr nur ein Thema der Provenienzforschung und der postkolonialen Studiengänge an der Uni, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit der Folge, dass beispielsweise vermehrt Schulen auf mich zukommen.

Was bieten Sie denen an?

Klassen können mal im Elefanten eine Geschichtsstunde abhalten. Ich gehe auch in die Schulen und erzähle über bremische Kolonialgeschichte am Beispiel Namibias.

Was hat sich noch verbessert?

Der Senat beschloss ein Er­innerungskonzept und installierte ein Gremium für das Thema. Auch Gruppen, die sich damit beschäftigen, sind jetzt etwas besser vernetzt als zuvor.

Gibt es also nun eine klare politische Linie in Bremen, um den Kolonialismus aufzuarbeiten und das Erinnerungskonzept mit Leben zu erfüllen?

Nein. Es gibt lockere Treffen, Ideen. Wir fordern ja eine Netzplattform, auf die alle Organisationen zugreifen können. Aber wenn ich im Kulturressort frage, wo das Thema angesiedelt ist, heißt es, es sei kein Geld da für irgendein Projekt. Und auch sonst gibt es wenig Unterstützung durch den Kultursenator, Bürgermeister Carsten Sieling. Wenn ich am 11. August, dem Tag des Völkermords an den namibischen Herero im Jahr 1904, Blumen am Mahnmal niederlege, ist da sonst niemand.

So lange es in Bremen noch eine Lüderitzstraße gibt, ist die antikoloniale Arbeit ja nicht weit gediehen.

Ein Elefant erhebt sich seit 1932 in stilisierter Darstellung am Bremer Hauptbahnhof sieben Meter in die Höhe.

Als deutschnationales Symbol sollte er für den Wunsch stehen, die im Ersten Weltkrieg verlorenen Kolonien zurückzuerobern.

Die Ausbeutung Afrikas war gerade für Bremer Kaufleute gewinnbringend.

Die Umbenennung zum Anti-Kolonial-Denkmal geschah 1990.

Der Verein „Der Elefant“ kümmert sich seit zehn Jahren um die Erhaltung, Pflege und das Bespielen des dunkelrot verklinkerten Monuments.

So ist es. Ich bin ja auch im Ortsbeirat Schwachhausen, wir könnten diese Straße umbenennen, aber es gibt dafür keine politische Mehrheit. Auch aus der Bevölkerung gibt es enormen Widerstand. Bremen ist inzwischen die letzte deutsche Stadt, die noch eine Lüderitzstraße hat.

Grundsätzlich gefragt: Dem zentralen Kolonial-Ehrenmal Deutschlands einfach einen anderen Namen zu geben, funktioniert so Erinnerungskultur?

Das hatte starke Außenwirkung, wurde auch in Namibia sehr positiv aufgenommen. Heute ist der Elefant ein Symbol dafür, dass wir zur Verantwortung stehen, die aus der Erinnerung kommt, und dass sich nun Afrikaner und Bremer auf Augenhöhe begegnen.

Sie wünschen sich, dass er dafür Symbol ist.

Nein, das ist so. Auch das Misstrauen in der Black Community Bremens uns gegenüber ist geschwunden. Weil wir ja keine Entschuldigung der Bremer mit dem Ziel wollen, endlich einen Strich unter die Kolonialgeschichte zu machen, sondern gucken, was können wir für die Afrikaner in Bremen jetzt tun. Daher arbeiten wir sehr eng mit dem Afrika-Netzwerk und Decolonize zusammen.

Was tun Sie konkret?

Schwarz und Weiß ins Gespräch zu bringen, etwa bei unseren Festen am Elefanten. Früher kamen dort nur Weiße, zuletzt waren mehr schwarze als weiße Bremer dort.

Wäre es nicht ein eindrücklicheres Mahnmal, man hätte den Elefanten, statt ihn für 180.000 Euro zu sanieren, in sich zusammenstürzen lassen?

Gäbe es den Elefanten nicht, wäre Bremen in der Diskussion nicht so weit wie heute. Man braucht für so ein Thema einen Ort zum Abarbeiten, ein goldenes Kalb, sonst läuft die Auseinandersetzung ins Leere. Und es ist auch eine recht schöne Tier-Plastik, die für den Zweck ihres Baus ja nichts kann.

Der Elefant soll ein Ort der Toleranz und politischen Bildung sein, ist aber vor allem ein Treffpunkt für Trinker.

Wir machen so 20 Veranstaltungen im Jahr am und im Elefanten: Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Vorträge, Feste – aber das kriegt keiner mit. Nur die Trinker, die sind halt immer da. Ich finde das o.k., so ist das halt in Bahnhofsnähe. Die machen ja auch keine Probleme, im Gegensatz zu Jugendlichen, die sich am und auf dem Elefanten treffen und ihren Müll in die Gegend werfen.