„Fake News sind so alt wie die News selbst“

Die Braunschweiger Historikerin Ute Daniel hat das Verhältnis von Politik und Medien untersucht

Foto: Anne Hage/TU Braunschweig

Ute Daniel, 65, ist Historikerin und Professorin für Neuere Geschichte an der Technischen Uni Braunschweig.

Interview Alexander Diehl

taz: Frau Daniel, wovon sprechen wir, wenn wir von „Fake News“ sprechen?

Ute Daniel: Eigentlich ist es völlig absurd, dass dieser Ausdruck eine solche Prominenz bekommen hat, ein geflügeltes Wort geworden ist. So, als seien wir gerade erst darauf gekommen, dass die Welt der Nachrichtengebung nicht immer eine der puren Wahrheit und Faktizität ist. Gehts noch? Fake News sind so alt wie die News selbst, das ist ganz simpel.

Nämlich?

Seit dem 17. Jahrhundert gibt es Nachrichten in periodisch erscheinenden Zeitungen – und das Problem ist da. Und das weiß auch jeder. Es gibt damals schon diskutierte Fälle von Fälschungen aller Art.

Ihr Buch behandelt das Verhältnis von Politik und Medien. Sie beschreiben, wie die schleswig-holsteinische CDU sich in den 1970er-Jahren am NDR abarbeitete.

Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es strukturell ähnliche Dinge wie heute auch früher schon gab. Da wurde vonseiten einer konservativen Landesregierung der öffentlich-rechtliche Rundfunk als „Rotfunk“ oder „Maos Radio“ diffamiert – weil man sich nicht richtig gewürdigt fühlte. Das war genau so eine Fake-News-Situation: Für die Konservativen war es unerträglich, wenn NDR-Reporter auf dem Brokdorfer AKW-Bauplatz auftauchten und die Demonstranten um Statements baten. Schon das war in konservativen Augen die Produktion von Fake News durch die Medien.

In Frankreich wollte das Parlament gerade einen Gesetzentwurf wider Fake News – vor Wahlen – debattieren.

Das hat Aussicht auf Erfolg – nur vielleicht einen umfassenderen, als offiziell beabsichtigt ist. So was gab es früher auch, und zwar in Großbritannien: Als die BBC nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit Fernsehübertragungen anfing – es war mit dem Radio aber auch so –, wollte das Parlament nicht, dass über aktuell in der Debatte befindliche Gesetzesvorlagen berichtet wurde. Es gab einen Maulkorberlass, der eine Art Aktualitätsverbot darstellte. Versucht man nun wieder so etwas, und sei es mit Richtervorbehalt, wird dasselbe passieren: dass man Medien mundtot macht. Wir haben in Österreich etwa die Situation, dass die Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk knebeln möchte.

„Fake News – ein neues Phänomen?“ mit Ute Daniel und Sabine Bamberger-Stemmann (Landeszentrale für politische Bildung): Mi, 13. 6., 19 Uhr, Hamburger Institut für Sozialforschung

Ute Daniels Buch „Beziehungsgeschichten“ ist in der Hamburger Edition erschienen (464 S., 38 Euro)