Vietnamesischer Dissident freigelassen: Nguyen Van Dai ist in Deutschland

Vietnam lässt den inhaftierten Menschenrechtsanwalt Nguyen Van Dai frei. Am Freitag früh ist er in Deutschland angekommen.

Ein Mann ist zu sehen, hinter ihm Uniformierte.

Nguyen Van Dai bei der Gerichtsverhandlung Anfang April in Hanoi Foto: ap

BERLIN taz | Nguyen Van Dai, der prominenteste vietnamesische Dissident, hat in der Nacht zum Freitag die vietnamesische Haftanstalt verlassen und ist am Freitag morgen auf dem Frankfurter Flughafen eingetroffen. Er wird gemeinsam mit seiner Frau und einer ebenfalls aus der Haft entlassenen Kollegin in Deutschland leben.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes begrüßte die Freilassung als „bemerkenswerten humanitären Schritt von vietnamesischer Seite und ein gutes Signal auch an die internationale Gemeinschaft.“

Dai war im April vom Volksgericht Hanoi wegen der „Vorbereitung eines Umsturzversuches“ zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Als Umsturzversuch werteten die Richter die Gründung einer Bruderschaft für Demokratie, die ein Manifest herausgegeben hatte. Darin werden ein Mehrparteiensystem, Gewaltenteilung, Religionsfreiheit und andere bürgerliche Rechte gefordert. Das Gericht sah darin eine Gefahr „für die Existenz der Regierung“.

Dai hatte 1989 ein Jahr lang als Vertragsarbeiter in der DDR gelebt und nach seiner Rückkehr nach Vietnam Jura studiert. Die von ihm betriebene Anwaltskanzlei avancierte zur juristischen Vertretung von politisch verfolgten Vietnamesen, etwa von Gewerkschaftlern, die illegale Streiks organisierten oder Angehörigen verbotener christlicher Gruppen.

Etliche Unterstützer in Deutschland

Politisch sah Dai sich in der Tradition der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der Französischen Revolution und der Unabhängigkeitserklärung von Ho Chi Minh von 1945.

In Deutschland hatten zahlreiche Politiker und Menschenrechtler die Freilassung von Dai gefordert, darunter die CDU-Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Dött, die seit 2015 eine parlamentarische Patenschaft für den Juristen übernommen hatte. „Ich bin tief beeindruckt von der ganz außergewöhnlichen Persönlichkeit von Nguyen Van Dai“, sagt sie der taz. Zu den Hintergründen der Freilassung möchte Dött sich nicht äußern.

Besuchen durfte Dött ihren Paten nicht. Er saß seit 2015 in strenger Einzelhaft und hätte Dött zufolge während seiner zweieinhalbjährigen Haftzeit lediglich sehr wenige Besuche seiner Ehefrau empfangen dürfen. „Von den Haftbedingungen in Vietnam machen wir uns hier keine Vorstellungen,“ sagt Dött, „Die Verwandten müssen ihre Angehörigen in der Haft auch versorgen. Dai war wegen der fehlenden Besuche über Wochen ohne Medikamente“ Auch Wechselkleidung und ergänzende Nahrung zur kargen Anstaltskost müssen normalerweise Angehörige in den Knast bringen.

Unterstützt wurde Dai auch vom Deutschen Richterbund, der dem prominenten Juristen letztes Jahr seinen Menschenrechtspreis verliehen hatte, und von der Menschenrechtsorganisation „Veto!“ in Hessen.

Nach Informationen aus der vietnamesischen Community in Berlin wurden Dai, seine Ehefrau und seine Kollegin von vietnamesischen Sicherheitsbeamten in Deutschland offiziell an deutsche Behörden übergeben. Die Formalitäten sollen jedoch bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen sein.

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