Mehr als nur Wasser

Der städtische Versorger Hamburg Wasser fordert rasch strenge Maßnahmen zum Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen. Wirtschaftlich geht es dem Unternehmen gut

Noch genießbar: ImTrinkwasser steigt der Anteil nicht abbaubarer Stoffe Foto: Imago/Icon Images

Von Sven-Michael Veit

Natalie Leroy fordert „ein gesellschaftliches Umdenken“ beim Umgang mit Trinkwasser: „Wasserwerke und Kläranlagen sind keine Reparaturbetriebe für gesellschaftliches und wirtschaftliches Fehlverhalten“, stellte die Vorstandschefin der städtischen Versorger Hamburg Wasser und Hamburg Energie am Montag klar. Das Lebensmittel Wasser müsse strenger gesetzlich geschützt werden, zugleich müssten die Verursacher in Haftung genommen werden, forderte sie bei der Präsentation der Jahresbilanz 2017.

Notwendig dafür seien „strengere Regeln für den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und mehr Fördermittel für die Erforschung biologisch abbaubarer Arzneistoffe“, so Leroy. Zusätzlich sei „ein Verbot von Stoffen, die nicht biologisch abbaubar sind und keinen gesellschaftlichen Nutzen haben“, erforderlich.

Dazu zählen in erster Linie Mikroplastikpartikel, die unter anderem in Kosmetikprodukten oder Zahncremes als Füll- oder Schleifmittel eingesetzt werden. Diese Partikel von weniger als 0,3 Millimeter Größe können von Kläranlagen nicht vollständig zurückgehalten werden und gelangen über die Kläranlagen in die Gewässer. Als Vorbild nannte Leroy Schweden, wo vom 1. Juli an der Verkauf von Kosmetika mit Mikroplastik verboten sei.

Auch Süßstoffe seien ein zunehmendes Problem. Acesulfam-K in Light-Limonaden könne durch andere abbaubare Mittel wie Stevia ersetzt werden. Außerdem müssten Verbraucher besser über Arzneien aufgeklärt werden: Medikamente müssten in der Mülltonne entsorgen und der Verbrennung zugeführt werden, statt in die Toilette geworfen zu werden, wodurch Rückstände in den Wasserkreislauf gelangten.

Die deutsche Gesellschaft werde älter und ältere Menschen bräuchten nun mal mehr und häufiger Arzneien als junge. Nach Schätzungen von Fachleuten werde der Medikamentenverbrauch in Deutschland bis 2045 um 70 Prozent steigen, zitierte Leroy: „Das Entsorgungsproblem wächst.“

Der Stadt gehören Hamburg Wasser und deren Tochter Hamburg Energie zu 100 Prozent.

Hamburg Wasser versorgte 2017 rund 2,13 Millionen Menschen mit etwa 114 Millionen Kubikmetern Trinkwasser und ist zudem für die Abwasserreinigung und -entsorgung zuständig. Der Jahresgewinn von rund 29 Millionen Euro wird an die Stadt abgeführt.

Hamburg Energie, die 2009 gegründete Tochter, versorgte im vorigen Jahr 110.000 Privat- und Gewerbekunden mit Ökostrom und weitere 22.000 Kunden mit Gas. Der Jahresüberschuss von 1,3 Millionen Euro wird reinvestiert. Den Strom erzeugt das Unternehmen zu 67 Prozent selbst.

Eine aktuelle Gefahr für das Hamburger Trinkwasser gebe es aber nicht, versicherte sie: „Das Trinkwasser hier ist nach wie vor von einwandfreier Qualität.“ Dennoch sei es dringend, für die Problematik zu sensibilisieren. Biologisch nicht abbaubare Stoffe reicherten sich über die Jahrzehnte an – rechtzeitige Gegenmaßnahmen seien deshalb schon jetzt erforderlich. Sonst werde sich die Qualität des Grundwassers verschlechtern.

Steigende Kosten bei der Wasseraufbereitung wären eine der negativen Folgen, sagt der Technische Geschäftsführer Ingo Hannemann. Laut einem Gutachten des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) drohen allein für das Beseitigen zu hoher Nitratkonzentrationen durch Einträge aus der Landwirtschaft in einigen Regionen Deutschlands Preissteigerungen von mehr als 60 Prozent.

Um die VerbraucherInnen besser zu informieren, veröffentlicht Hamburg Wasser ab sofort auf einem neuen „Transparenzportal“ Hunderte von Messdaten zur Trinkwasserqualität. Unter www.hamburgwasser.de/service können die Qualitätsanalysen aller Wasserwerke für jede Straße eingesehen werden.