„10 Prozent funktionieren nicht“

Expertengruppe legt Bericht zur Verwaltung vor und empfiehlt mehr zentrale Steuerung

Von Stefan Alberti

„90 Prozent der Dinge funktionieren ordentlich und gut.“ Es ist ein selten gehörtes Lob für die Berliner Verwaltung, das am Dienstagmittag ein weißhaariger Schnurbartträger in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung äußert. Heinrich Alt, Ex-Vorständler der Bundesagentur für Arbeit, hat mit elf weiteren Experten seit Herbst die Lage untersucht und findet keineswegs alles so schlecht wie oft behauptet. Aber es bleiben 10 Prozent, „und die funktionieren nicht“. Damit sich das ändert, hat Alts Gruppe einen 99-seitigen Bericht vorgelegt. Ein zentraler Vorschlag: Die Senatsverwaltungen sollen mehr Macht gegenüber den Bezirken haben, die Bürgermeister mehr Macht gegenüber den Stadträten.

Im September hatte der Senat die zwölfköpfige Gruppe eingesetzt, in der neben Alt Führungskräfte aus dem Bundesinnenministerium und aus der Hamburger Senatskanzlei genauso saßen wie hiesige frühere Bezirksstadträte und Wissenschaftler. Es ist bei Weitem nicht der erste Versuch, die Berliner Verwaltung zu reformieren. Vorschläge, daran erinnert auch Alt gegenüber den Journalisten, liegen in Menge vor. Wie so oft in Berlin gilt, dass man kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem hat. Also, so Alt, schlage man Dinge vor, die sich aus seiner Sicht mit wenig Aufwand umsetzen lassen.

Unter den Journalisten war man skeptisch, ob das auch für die angestrebte Machtverlagerung im Verhältnis zwischen Land und Bezirken gilt. Für Verfassungsänderungen ist im Landesparlament eine Zweidrittelmehrheit nötig – ob das in den nächsten Jahren in Sicht sei, wurde der neben Alt sitzende Regierungschef Michael Müller (SPD) gefragt. „Ja, es gibt dafür eine Chance“, sagt der, „weil es dazu schon eine lebhafte Debatte Abgeordnetenhaus gibt.“

Aus Sicht der Experten ist das auch dringend nötig, sie schreiben: „Derzeit lässt sich die Berliner Verwaltung in vielen Bereichen kaum steuern.“ Es klingt zwar beim ersten Hören nett, wenn Alt sagt, Berlin habe „eine gute Chance, eine bürgernahe und leistungsstarke Verwaltung zu entwickeln“. Doch im Umkehrschluss klingt das wenig schmeichelhaft für Berlin. Im Bericht selbst gibt es auch noch folgende Einschätzung: „Ob jemand in der Berliner Verwaltung Karriere macht, hängt nicht in erster Linie von der Qualität ihrer/seiner Arbeit ab.“ Arbeitsleistung spiele eine „eher untergeordnete Rolle“. Das soll sich, schlägt der Bericht vor, mit einheitlichen Bewertungen und Beurteilungen ändern.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK), die seit vielen Jahren Verbesserungen in der Verwaltungen fordert, bescheinigte Alt und seinen Leuten, sie hätten eine hervorragende Grundlage für den weiteren Reformprozess gelegt. „An den Empfehlungen der Kommission muss sich der Senat in den nächsten Monaten und Jahren messen lassen“, sagte IHK-Chef Jan Eder. „Aus Sicht der Wirtschaft ist zu hoffen, dass die Vorschläge nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch umgesetzt werden.“