Grüne gefällt sich in der Opposition

Bei der Kitakrise-Demo liefen auch die Grünen mit. Landeschefin Stahr: „Kein Koalitionskrach“

Von Anna Klöpper

Nein, von einem Koalitionskrach wollte Grünen-Landesvorsitzende Nina Stahr am Montag dann doch nicht sprechen. „In jeder guten Ehe kann man sich sagen, wenn man anderer Meinung ist. Die SPD sagt auch, wenn ihnen bei uns was nicht passt. Wir sagen es beim Kita-Thema.“ Am Wochenende hatten die Berliner Grünen als einzige der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien gemeinsam mit rund 3.000 Eltern und ErzieherInnen für mehr Kita­plätze demonstriert. Die grüne Aktion war recht prominent besetzt: Neben den Fraktionschefinnen Antje Kapek und Silke Gebel twitterte auch die Berliner Bundestagsabgeordnete Lisa Paus fleißig von der Demo.

Wenn es auch keinen Koalitionskrach gab, war es doch zumindest ein deutliches Signal, das an den Koalitionspartner SPD ging. Der lässt das Ressort seit 2011 von Senatorin Sandra Scheeres verwalten, und die steckt angesichts des Fachkräftemangels in den Kitas zunehmend in der Bredouille. Die Kitas können Tausende Plätze nicht anbieten, weil sie keine ErzieherInnen finden – gleichzeitig gibt es wegen der zunehmenden Zahl von Kindern auch perspektivisch steigenden Bedarf. Entsprechend lang sind die Wartelisten für einen Platz, entsprechend verzweifelt die Eltern.

Stahr warf Scheeres vor, nicht genug gegen den Erziehermangel zu unternehmen. Maßnahmen, wie die kürzlich mit den Jobcentern ausgehandelte Vereinbarung, dass diese künftig die Umschulung zur ErzieherIn komplett finanzieren, seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir müssen mehr Menschen dafür begeistern, in den Erzieherberuf zu gehen“, fordert Stahr. „Männer zum Beispiel, da gibt es noch viel Potenzial. Genauso bei den Zugewanderten, da sind die bürokratischen Hürden immer noch hoch.“

„Mit Nachdruck verhandeln“

Natürlich spiele das Thema Bezahlung eine große Rolle: „Auch da muss jetzt etwas passieren.“ 2019 steht die nächste Tarifrunde für die ErzieherInnen an: Sie hoffe sehr, dass Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) „mit dem entsprechendem Nachdruck“ für eine tarifliche Höhergruppierung der ErzieherInnen verhandeln werde. Derzeit verdient eine BerufsanfängerIn 2.500 Euro brutto – etwa halb so viel wie eine GrundschullehrerIn.

Gleichzeitig verteidigte Stahr den Beschluss im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag, die Betreuungsqualität in den Kitas durch kleinere Gruppengrößen zu verbessern – trotz der Fachkräftekrise. Allerdings sei Scheeres da vorgeprescht, ohne einen Plan zu haben, woher die Fachkräfte kommen sollen.

Dass nun Kitagruppen zeitweise überbelegt werden dürfen, sei „nicht akzeptabel“. Geht es nach den Grünen, soll die Entscheidung von Scheeres, die sie per Rechtsverordnung aus ihrer Senatsverwaltung durchsetzte, ein Nachspiel haben: Man wolle das Thema vor den Koalitionsausschuss bringen. „Das wird jetzt zur Chefsache gemacht.“ Gut möglich, dass sich bald der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit der Kitapolitik seiner Parteigenossin Scheeres auseinandersetzen muss.

Interview mit der Co-Landeschefin der Berliner Grünen, Nina Stahr, online auf taz.de