Zurück am Tatort

Göttinger Hausbesetzer picknicken aus Protest

Von Reimar Paul

Sie kamen mit einem Möbelwagen, luden Sofas, Stühle und Umzugskartons ab, bauten auf dem Hof eine Kaffeetafel auf und ließen sich nieder. Die ehemaligen Besetzer eines leer stehenden Wohnheims, die das Haus Ende April für eine Woche besetzt hatten, sind am Donnerstagabend für mehrere Stunden an den Tatort zurückgekehrt. Rund 100 Leute beteiligten sich an dem Protest-Picknick.

Ein Redebeitrag und ein Schild erklärten das Gebäude zum „sozialen Wohnraum“ und „sozialen Zentrum für das Ostviertel“. „Unsere Häuser, unsere Stadt“, stand auf einem Transparent. „Häuser denen, die sie brauchen“, hieß es auf einem anderen. Der „Rauch-Haus-Song“ von Ton, Steine, Scherben und „Final Countdown“ von Europe wummerten durch das Wohngebiet und den nahen Park. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot angerückt. Bis auf die Aufforderung, die Musik leiser zu drehen, griffen die Beamten aber nicht ein.

Das Wohnheim und eine angrenzende Villa gehören der Stadt Göttingen und wurden lange an das Goethe-Institut vermietet. Die Stadtverwaltung will den gesamten Komplex an einen Verlag veräußern, ein entsprechender Ratsbeschluss wurde für Freitagabend erwartet. „Einen Tag vor der Ratssitzung wollen wir noch mal ein Zeichen setzen“, sagte einer der Aktivisten am Donnerstagabend zur taz. „Die Stadtverwaltung hat vergeblich gehofft, dass sich mit der polizeilichen Räumung die politische Auseinandersetzung um die Immobilie erledigt.“

Denn auch nach einem Verkauf will die Initiative weiter Druck machen. „Wer das Haus kauft, kauft uns mit. Wir sind ein ziemlich unkalkulierbares Investitionsrisiko“, sagte ein Aktivist. Der Kampf um das Objekt sei aber nur Teil einer weiter reichenden Auseinandersetzung. Die Stadt müsse endlich anfangen, kommunale Wohnungsbestände in ausreichendem Umfang aufzubauen.

Und dann schilderte einer noch seine Vision von einer besseren Zukunft: Eine Zukunft, in der öffentliches Eigentum dauerhaft öffentliches Eigentum bleibt. In der unbezahlbare Mieten niemandem mehr schlaflose Nächte bereiten und in der Geflüchtete nicht isoliert am Stadtrand, sondern in menschenunwürdigen Wohnungen „mitten unter uns“ leben.

Derweil will die Göttinger Linke den Verkauf noch über eine Eingabe an die Kommunalaufsicht stoppen. Nach dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz dürften Gemeinden Vermögen nur veräußern, wenn sie es in absehbarer Zeit nicht benötigten. Zudem seien die Kommunen gehalten, wirtschaftlich zu handeln. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, die Stadt habe die Einnahmen aus dem Verkauf nämlich schon zu zwei Dritteln für die Anmietung von Räumen für ihr Archiv verplant.