heute in hamburg
: „Schreiben als Bewältigung der Gegenwart“

Foto: Hartwig Kwella

Sven J. Olsson,ist Schriftsteller und im Vorstand des Verbandes der deutschen Schriftsteller Hamburg.

Interview Hannah Treu

taz: Herr Olsson, Sie haben mit geflüchteten Autoren ein Buch veröffentlicht. Worum geht es?

Sven J. Olsson: Im Buch geht es um Flucht und die Erlebnisse auf einer Flucht in der ganzen Bandbreite. Es handelt von Gründen für die Flucht und von dem, was nach einer Flucht passiert. Es gibt zum Beispiel einen Bericht von einem Blogger aus Bangladesch, der dort auf der Todesliste steht, einen Text von einem iranischen Kollegen, der im letzten Moment dem Gefängnis entkommen ist, einen von einem kurdischen Autoren, der die Flucht selbst beschreibt und es gibt eine längere Geschichte von einem syrischen Mann, der beschreibt, wie es ist, sich hier in Deutschland einzugewöhnen.

Geht Ihnen eine Geschichte besonders nah?

Das ist schwierig, bei so vielen Geschichten, eine heraus zu suchen. Es gibt für mich Geschichten, die ein bisschen stärker herausragen. Zum Beispiel der Bericht des Kollegen aus dem Iran, in dem er beschreibt wie er verhaftet wird, im Gefängnis sitzt und sich überlegt, wer ihn verraten hat. Wenn ich einen auswähle, würde ich den anderen unrecht tun, weil sie alle in ihrer eigenen Art ganz besonders sind.

Ist das Schreiben für die Flüchtlinge auch eine Form der Verarbeitung?

Lesung und Gespräch „Fluchtpunkt Hamburg – Texte im Exil“: 18 Uhr, Zentralbibliothek und in den Bücherhallen Billstedt, Harburg, Langenhorn und Osdorfer Born. Eintritt frei

Für Schriftsteller ist das Schreiben ja auch eine Bewältigung von Gegenwart. Schriftsteller schrei­ben immer Dinge auf, die ihnen nahe gehen, oder ihnen wichtig sind. Thematische Ereignisse beispielsweise. Natürlich beschäftigen sie sich auch mit der Frage von Flucht und Migration und, ganz wichtig, der Integration. Wenn man aber Texte zur Integration in einem Flüchtlingsmagazin liest, stellt man sich auf einmal ganz andere Fragen.

Welche?

Hussam Al Zaher fragt in seinem Text: „Flüchtling, das ist männlich, gibt es keine weiblichen Flüchtlinge? Warum ist der Flüchtling im Deutschen männlich?“ Darüber denkt man als Muttersprachler nicht nach, aber wenn man das liest, tauchen neue Fragen auf.