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Happy End mit „ja, ich will!“

Streit schlichten undgute Kompromisse finden: Gerade in Familien wächst der Bedarf, denn Patchworkstrukturen und eine steigende Lebenserwartung schaffen Interessenkonflikte. Mediation hilft

Filmszene aus „Der Rosenkrieg“ mit Kathleen Turner und Michael Douglas: Mit Mediation hätte es ein Happy End geben können Foto: imago/Granata images

Von René Hamann

Wie hieß es noch gleich bei Tolstoi, erster Satz des Mammutklassikers „Anna Karenina“? „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ Doch auch in den besten Familien kommen Streitigkeiten und Zerwürfnisse vor – besonders dann, wenn es zu Umbrüchen und Tragödien kommt, zu Scheidungen und Todesfällen mit anschließendem Erbschaftsstreit. Gut, wenn es da außenstehende Instanzen gibt, die einen solchen Streit nicht nur schlichten, sondern auch Wege zu Kompromissen schaffen, mit denen alle Seiten mehr als gut leben können. Sie haben es vielleicht schon gewusst: Diese Menschen heißen Mediatoren. Schlichten ist ihr Beruf.

Aber Schlichten ist noch nicht alles. Die wörtliche Übersetzung für Mediation lautet denn auch: Vermittlung. Und gedacht ist eine solche nicht nur als Ergänzung zu den üblichen Wegen, sondern vielleicht auch als gleichwertiger Ersatz. Klar, eine Mediation kann nicht dasselbe leisten wie einerseits ein Jurist oder eine Juristin, ob sie oder er als Rechtsanwalt für eine Partei antritt oder als Richterin über Entscheidungsgewalt verfügt, und andererseits eine Psychologin, die eine Familienaufstellung vorbereiten und vollziehen kann oder eine tiefenpsychologische Therapie bietet. Dennoch ist die Mediation eine kostengünstige Alternative.

Das ist vielen schon Grund genug. Aber Mediatorinnen bieten auch Erfahrung und arbeiten daran, Resultate zu erzielen, die für alle Seiten akzeptabel und fair erscheinen. Zum Beispiel bei einer Trennung. Hier gibt es so viele Hürden, Fallen, Hindernisse und Empfindlichkeiten zu beachten! Besonders, wenn neben notariellen und finanziellen Dingen auch Kinder daran hängen. Ein Telefonat kann da schon viel helfen. Ein Informationsgespräch mit der Mediatorin und den beiden Konfliktparteien ist in der Regel der nächste Schritt.

Am 18. Juni findet der Internationale Tag der Mediation statt. Er wird vom Bundesverband Mediation mit einer Reihe von Veranstaltungen begangen.

Titel der diesjährigen Veranstaltungsreihe: Was macht Macht? Die Sprache der Mediation, eine Sprache der Zukunft!

Informationen über Veranstaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen hier: tag-der-mediation.de

Die bundesweit größte Regionalgrupe Berlin-Brandenburg informiert über ihre Veranstaltungen hier: rg-berlin-brandenburg.bmev.de/internationaler-tag-der-mediation-2018

Das Tolle an der Mediation besteht darin: Die Kontrolle wird an keiner Stelle abgegeben; immer sind es die Konfliktpartner selbst, die nach Beratung und mithilfe der Mediation entscheiden können.

Eine unglückliche Trennung kann so zu einem ­glücklichen Ende finden, nach dem sich beide Partner auch wieder in die Augen schauen können. Ein Ende in Harmonie, so paradox das auch zuerst einmal klingt.

Insbesondere für Patchworkfamilien steht bei Trennungen oder sonstigen Konflikten viel auf dem Spiel. Sorgerecht, Besuchsregelungen, Hausratsverteilung, Verkauf oder Handhabe des baulichen Eigentums, das sind Dinge, die juristisch wie persönlich knifflig sind. Am Ende der Mediation steht eine schriftliche Vereinbarung, die rechtsverbindlich für eine Scheidung ist. Der Kostenfaktor ist gedämpft, die Parteien sind zufrieden, die Trennung kann vollzogen werden.

Aber die klassische Scheidung ist nicht das einzige Feld, in dem eine Mediation angesagt sein könnte. Auch mit dem Alter kommt nämlich einiges auf uns zu – sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen. Und nicht nur in Erbsituationen können Mediatorinnen da helfen, schon weit vorher, wo es um Pflege geht, um Patientenverfügungen, um Betreuung, um „Nachfolgeplanung, prophylaktische Erbgestaltung in komplexen Familien- und ­Unternehmenskonstellationen“, da kann eine solche Mediation hilfreich sein.

Das Ziel der Mediation ist es, Lösungen anzustreben, bei denen alle Seiten profitieren, bei denen für beide Konfliktparteien mehr herauskommt als bei einem einfachen Kompromiss. Mediation bedeutet Vermittlung und basiert auf einem konstruktiven, gemeinschaftlichen Umgang miteinander.

Die Konfliktparteien erarbeiten gemeinsam unter der Führung eines neutralen Dritten die Lösung. Dieser neutrale Dritte ist eine Mediatorin oder ein Mediator.

Das Verfahren kann in allen Bereichen der Gesellschaft eingesetzt werden: in der Familie, in der Arbeitswelt, im Schulbereich, im Gesundheitswesen, im Gemeinwesen, zwischen Generationen, im Bauwesen und in vielem mehr.

Jeder Bereich hat seine besonderen Spezifika, die auch in der Konfliktbearbeitung eine Rolle spielen.

Ausführliche Informationen über Inhalte und Ansprechpartner hat der Bundesverband Mediation zusammengestellt:

www.bmev.de

„Elder Mediation“ nennt das zum Beispiel Christoph Weber, Familienmediator beim BMEV (Bundesverband Mediation e. V.). Die innere Balance einer Familie – dafür muss man nicht extra Tolstoi lesen – kann schneller aus den Fugen geraten, als einem lieb ist, wenn Tragödien von außen diese Balance erschüttern. Krankheits-, Pflegefälle wegen Alters, Unfall, sicher kann man sich eben leider nie sein. Diese Situationen, diese großen Herausforderungen zu meistern, auch dafür ist so eine Mediation gut.

Insgesamt sind die Lebensverhältnisse komplizierter geworden. Plötzlich tauchen entfernte Verwandte auf, die ihren Anteil wollen; es gibt geschwisterliche Streitigkeiten, die lange unter der Oberfläche vor sich hin köchelten, ohne dass dies wirklich bemerkt wurde. Alte Kamellen, alte Gekränktheiten, alte Geschichten erfahren ihre Wiederauferstehung, wenn es darum geht, seinen eigenen Vorteil über die anderen zu stellen. Da ist ein Mediator schon ziemlich gefragt. Wichtig ist allein, dass die Mediation auch von allen Beteiligten gewollt ist – dann kann sie auch zielführend sein.