Kurz statt Merkel

Markus Söder lädt Österreichs Kanzler zu Wahlkampfauftritten ein – und verzichtet auf die Kanzlerin

Im ohnehin angespannten Verhältnis zwischen CSU und CDU deutet sich eine weitere Entfremdung der Schwesterparteien an. Nach Informationen der Welt am Sonntag plant Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), im bevorstehenden Landtagswahlkampf auf einen Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu verzichten – zum ersten Mal in der Geschichte der Fraktionsgemeinschaft der Unionsparteien. Stattdessen wolle er auf Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz setzen.

Kurz gilt in der EU als Gegenspieler Merkels in der Flüchtlingspolitik. Nach Informationen der WamS sagte Söder in der vergangenen Woche vor Vertrauten: „Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler.“ Damit meinte er den ÖVP-Politiker Kurz, der als Chef einer rechtskonservativen Koalition eine restriktive Flüchtlingspolitik betreibt. In Bayern wird am 14. Oktober ein neuer Landtag gewählt.

Zwischen CDU und CSU tobt derzeit ein erbitterter Streit über die Flüchtlingspolitik. Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer will bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen und droht damit, dies auch im nationalen Alleingang durchzusetzen. Merkel lehnt das Vorhaben ab und will bis Monatsende europäische Lösungen aushandeln.

Gegenüber Seehofer verweist Angela Merkel auf ihre Richtlinienkompetenz als Bundeskanzlerin. Der Innenminister verwahrte sich dagegen am Wochenende erneut – die CSU werde sich das „nicht gefallen lassen“, sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. Auch Bayerns stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner (CSU) verteidigte den Kurs ihrer Partei in der Flüchtlingspolitik. „Die CSU will ein Signal an die Bevölkerung senden, denn die Menschen können vieles nicht mehr nachvollziehen“, sagte sie der FAS. In Deutschland werde alles rechtlich durchexerziert: Falschparken etwa oder auch zu schnelles Fahren. Beim Thema Migration sei das anders, und das verunsichere die Leute.

Angesichts des Streits in der Union will SPD-Chefin Andrea Nahles den Unionsparteien ein Bekenntnis zum Koalitionsvertrag abverlangen. „Seit Wochen legen sich CDU und CSU gegenseitig, Deutschland und halb Europa lahm“, sagte Nahles der Bild am Sonntag. Beim Koalitionsausschuss am Dienstag solle deshalb „Tacheles“ geredet werden. Sie wolle von der CDU und insbesondere der CSU wissen, ob sie noch in der Lage und willens seien, „konstruktive Sacharbeit in der Regierung zu leisten“. Nahles hatte bereits am Samstag Seehofer wegen seines angedrohten Alleingangs bei der Zurückweisung von Flüchtlingen scharf kritisiert. Der CSU-Chef sei eine „Gefahr für Europa“, sagte Nahles. (afp)