Ein Katalog drastischer Maßnahmen

Was müsste die Politik gegen den Klimawandel tun? Die CO2-Grenzwerte verschärfen, Fahr-verbote erteilen und, und, und …

Die Forderungen nach deutlich strikteren Grenzwerten sind weder Willkür noch Ideologie

Von Bernhard Pötter

Für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) müssen neue CO2-Grenzwerte für Autos „realistisch technisch machbar sein“, erklärte er vor den Verhandlungen in Brüssel auf Anfrage der taz. Auf Grundlage des Kommissionsvorschlags werde man einen Kompromiss finden, aber „die Vernichtung einer europäischen Leitindustrie mache ich nicht mit“, betonte der Minister: „Wir brauchen keine willkürlichen ideologischen Grenzwerte!“

Aber die Forderungen nach deutlich strikteren Grenzwerten sind weder Willkür noch Ideologie. Sondern einfache Mathematik. Denn wenn sich die Bundesregierung an ihre eigenen Planungen hält und wie mehrfach beteuert nach der Aufgabe des Klimaziels für 2020 das Ziel für 2030 auf jeden Fall erreichen will, braucht es vor allem beim Verkehr drastische Maßnahmen. Das zeigt nun ein bislang unveröffentlichtes Gutachten des Thinktanks „Agora Energiewende“, das der taz vorliegt. In ihm stehen all die Instrumente, die der Regierung zur Verfügung stehen, um beim Klimaschutz im Verkehr voranzukommen – und die fast alle extrem unpopulär sind (siehe Grafik).

Denn was die Regierung und Verkehrsminister Scheuer nicht sagen, ist: wie sie für die CO2-Einsparungen im Verkehrsressort sorgen wollen. Im „Klimaschutzplan“ der Bundesregierung, immerhin Grundlage der Politik, steht eine Zahl, die allen Verkehrsplanern Kopfzerbrechen bereitet: Um 40 bis 42 Prozent soll demnach der Ausstoß des Verkehrssektors bis 2030 gegenüber 1990 sinken. Und weil der Verkehr in Deutschland heute mehr Klimagift ausstößt als 1990, muss dieser große Brocken in nur 12 Jahren erbracht werden – eine Aufgabe, die selbst umweltbewegte Regierungsmitglieder für kaum machbar halten. Insgesamt geht es um etwa 50 Millionen Tonnen CO2, die die deutschen Autofahrer im Jahr 2030 zu viel ausstoßen werden, wenn sich nichts ändert – so viel wie derzeit ganz Portugal.

Was also tun? Bleibt es beim Vorschlag der EU-Kommission, den Wirtschafts- und Verkehrsministerium bevorzugen, reduziert das gerade einmal 4 Millionen Tonnen. Bleiben 46 Millionen, die irgendwie aus der Welt zu schaffen sind. Da hat die Regierung laut der Agora-Studie die Wahl: Sie könnte etwa folgenden Mix von Maßnahmen durchsetzen: Den Radverkehr verdreifachen, den Anteil von Elektroautos verzehnfachen, die Kosten für die Pkw-Nutzung mal zehn und für den Lkw mal vier nehmen. Sie müsste gleichzeitig die Dieselsteuer auf 50 Cent verzehnfachen und zu allem Überfluss ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h einführen. Sie könnte allerdings auch an den Grenzwerten für Pkw (und für Lkw) drehen – also genau das tun, was etwa das Umweltministerium oder die Verbände fordern.

Die Agora-Rechnungen, die das Öko-Institut erstellt hat, sind nicht realitätsfern. Bereits vor einem Jahr hat das staatliche Umweltbundesamt eine ähnliche Kalkulation aufgestellt – mit ähnlichen Ergebnissen. Die „Liste des Schreckens“, mit der im Verkehr die Klimaziele einzuhalten wären, umfasste etwa eine Autobahnmaut für Pkw von 6,5 Cents pro Kilometer, eine Quote für Elektroautos von 12 Millionen oder ein Ende für Pendlerpauschale und Steuererleichterungen beim Diesel. Aber auch die Liste des Umweltbundesamts kam um einen Punkt nicht herum: Deutlich schärfere CO2-Grenzwerte für Pkw. Also genau das, was ab Montag in Brüssel verhandelt wird.