Arbeitskampf an der Freien Universität: „Wie in einem Krimi“

Über den Arbeitskampf der Beschäftigten im Botanischen Garten ist jetzt ein Buch erschienen. Die Geschichte dient gut als Fallbeispiel, sagt Betriebsrat Lukas Schmolzi.

Victoria-Haus im Botanischen Garten der Freien Universität

Sieht schön aus, dahinter steckt aber viel Arbeit, die lange nicht gerecht bezahlt wurde: Victoria-Haus im Botanischen Garten der FU Foto: dpa

taz: Herr Schmolzi, wie kam es überhaupt zu der Idee, ein Buch über Ihren Arbeitskampf zu machen?

Lukas Schmolzi: Benedikt Hopmann und Reinhold Niemerg, die Rechtsanwälte, die auch den Betriebsrat am Botanischen Garten vertreten haben, brachten uns auf die Idee. Da die Ereignisse bei uns einem Krimi ähnelten, haben wir uns schnell überzeugen lassen. Die Tatsache, dass die Beschäftigten an einem Buch arbeiten, machte auch Druck. Wir hatten ja während des Arbeitskampfes schon mit dem Schreiben begonnen, sodass sich das herumgesprochen hatte. Wäre ich Arbeitgeber und würde erfahren, dass die Belegschaft ein Buch über mich schreibt, würde ich zusehen, dass es wenigstens ein Happy End hat, und so war es dann ja auch.

Was machte Ihren Arbeitskampf so besonders, dass er für ein Buch taugt?

Erfahrene GewerkschafterInnen sagten uns, dass ihnen bisher kein Fall bekannt sei, in dem sich Beschäftigte durch einen Arbeitskampf zurück in den öffentlichen Dienst gekämpft haben. Unsere Geschichte dient auch gut als Fallbeispiel, da unsere Strukturen im Vergleich zu anderen Unternehmen überschaubar und gut auf den eigenen Betrieb übertragbar sind.

Ihr Kontrahent im Arbeitskampf war die Leitung der Freien Universität Berlin (FU). Gab es Unterstützung von Studierenden?

Im Verlauf des Arbeitskampfes haben wir nach und nach realisiert, dass nicht nur die FU, sondern ein großer Teil der Verantwortung für das Lohndumping der Senat trug, weil er die Mittel für den Botanischen Garten drastisch gekürzt hatte. Der Senat war es am Ende auch, der aufgrund unseres ausdauernden Protests durch eine höhere Ausfinanzierung des Gartens das Lohndumping beendete. Die Studierenden der FU waren stark in unseren Arbeitskampf eingebunden. Bis heute gibt es Freundschaften und gegenseitige Unterstützung.

Lukas Schmolzi

ist beim Technikerservice des Botanischen Gartens beschäftigt. Er war Betriebsratsvorsitzender sowie Mitglied der Verdi-Tarifkommission.

In dem Buch wird auch selbstkritisch erwähnt, dass es nicht gelungen ist, die Ausgliederung der Reinigungskräfte im Botanischen Garten zu verhindern. Wie sind deren aktuelle Arbeitsbedingungen und das Verhältnis zu anderen KollegInnen?

„Die Frauen hattenin unserem Arbeitskampf eine herausragende Rolle“

Unsere Reinigungskräfte arbeiten heute als GartenarbeiterInnen und blühen in diesem Beruf im wahrsten Sinne des Wortes auf. Schlechter sieht es für die Beschäftigten von Gegenbauer aus, die jetzt die Reinigungsarbeiten durchführen. Sie sind von der betrieblichen Gemeinschaft weitgehend isoliert. Sie können weder an Personalversammlungen teilnehmen oder sich an die zuständigen Personalräte wenden. Sie profitieren auch nicht von dem Tarifvertrag der Länder (TV-L). Auch die hauseigene Tischlerei und die Schmuckgärten sind bis heute ausgegliedert. Wir arbeiten daran, dass diese Dinge noch in Ordnung gebracht werden.

Buch Jana Seppelt, Reinhold Niemerg u. a. (Hg.): „Der Aufstand der Töchter, Botanischer Garten Berlin. Gemeinsam staatlich organisierte prekäre Beschäftigung überwinden“, VSA-Verlag, 2018, 16 Euro

Inhalt Im Buch wird beschrieben, wie es den ausgegliederten und von Lohndumping geplagten Beschäftigten des Botanischen Gartens gelungen ist, sich in den öffentlichen Dienst zurückzukämpfen.

Vorstellung Am 27.Juni wird das Buch um 19 Uhr in der Mediengalerie des Hauses der Buchdrucker in der Dudenstraße 10 in Schöneberg vorgestellt.

Der Titel „Der Aufstand der Töchter“ bezieht sich auf die Ausgliederung des Botanischen Gartens in eine Tochtergesellschaft durch die FU. Wäre nicht auch die Rolle der Frauen im Arbeitskampf interessant?

Die Frauen hatten in unserem Arbeitskampf eine herausragende Rolle. Das kommt im Buch stark zum Ausdruck. Unsere Kolleginnen waren ja durch das Outsourcing der Reinigung besonders betroffen und am stärksten unter Druck. Aber auch die Töchter unseres Betriebsgruppenvorsitzenden haben sich in den Arbeitskampf eingeschaltet und für das Buch ein lesenswertes Interview gegeben.

Sie wurden von vielen anderen prekär Beschäftigten in Verantwortung des Berliner Senats unterstützt. Sind Sie noch aktiv und haben Sie Tipps für die KollegInnen?

Ja, wir haben uns in der Vergangenheit in die Arbeitskämpfe der studentischen Beschäftigten, der Charité Facility Management und der Vivantes Service GmbH eingebracht. Das wird auch so bleiben, bis unsere MitstreiterInnen ihre Ziele erreicht haben. Ich kann prekär Beschäftigten von landeseigenen Betrieben nur empfehlen, den „Gewerkschaftlichen Aktionsausschuss“ zu besuchen. Dort gibt es eine fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit, die schon in mehreren Betrieben zum Erfolg führte.

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