Kolumne Flimmern und Rauschen: Ein neues mediales Sonnensystem

Weniger starre Vorschriften und steigende Beiträge. Klingt easy, wird aber der größte Kulturwandel für die Öffentlich-Rechtlichen ever.

Geldscheine liegen auf einem Rundfunkbeitrag-Formular

Der Rundfunkbeitrag könnte ab 2021 bei knapp 18 Euro liegen Foto: dpa

Jetzt ist man natürlich sofort versucht zu rufen: „Und sie bewegt sich doch“, so frei nach Galileo Galilei. Denn was die Spatzen mit Blick auf die am Mittwoch stattfindende Pressekonferenz der Ministerpräsidenten von den medienpolitischen Dächern pfeifen, wäre in der Tat so ein kleines bisschen ein neues mediales Sonnensystem.

Zum einen haben sich offenbar Verleger und Sender endlich dazu durchgerungen, der unendlichen Geschichte des „Wer darf was im Internet“ eine Ende zu bereiten. Damit dürften nun, wenn wir den Weltuntergangsgesängen diverser Verlegerverbandsgranden glauben, den Zeitungen wieder goldige Zeiten bevorstehen. Und das bisschen Konkurrenz von Google kriegen wir auch noch in den Griff.

Wichtiger ist noch, was sechs der Länder für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgeheckt haben: dass künftig der Rundfunkbeitrag nach einem Indexierungsmodell der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung angepasst werden könnte. Wenn die aktuell kursierenden Zahlen (Beitrag ab 2021 knapp 18 Euro) stimmen, bedeutet das für die Öffentlich-Rechtlichen einerseits Planungssicherheit, andererseits aber auch weniger Geld.

Das Zauberwort heißt Umverteilung

Viel bestechender ist allerdings die Idee, den Anstalten nicht mehr starre Vorschriften zu machen, wie viele TV-Programme usw. sie zu veranstalten haben. Garantiert sind künftig nur ARD, ZDF (sorry, Herr Seehofer), die Dritten sowie Arte und 3sat, die auf internationalen Verträgen beruhen. Auch im Netz sollen die Öffentlich-Rechtlichen künftig machen können, was sie wollen – und nicht auf Ausnahmengenehmigungen wie bei funk angewiesen sein.

Da nach dem neuen Finanzierungsmodell das alte Spiel „Neues Angebot = zusätzlicher Bedarf = höhere Anmeldung bei der Beitragskommission KEF“ wahrscheinlich ausgedient hat, heißt das neue Zauberwort: Umverteilung. Wer jetzt Neues machen will, muss es aus dem bestehenden Finanzrahmen stemmen.

Er ist zurück: Steffen Grimberg bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.

Klingt easy, bedeutet für die Öffentlich-Rechtlichen aber den größten Kulturwandel seit ihrer Erfindung. Und kommt verdammt nah an das, was ein gewisser Mathias Döpfner schon vor rund zehn Jahren meinte: ARD und ZDF sollten alles machen dürfen, was ihnen einfällt (öffentlich-rechtliche Presse im Netz natürlich ausgenommen), so damals der Springer-Chef und heutige Verlegerpräsident. Aber eben mit der Kohle, die schon da ist; es dürfe nicht immer noch etwas für neue Angebote obendrauf kommen.

Nun ist ausgerechnet das für die Koordination der Rundfunkpolitik zuständige Rheinland-Pfalz nicht Teil der Sechser-Ländergruppe. Es will einen eigenen Vorschlag präsentieren, in dem es um eine Neufassung des öffentlich-rechtlichen Auftrags geht. Stimmt, da war noch was. Und – ach so: Galileo hat das obige Bonmot wohl auch nie so gesagt.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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