Schwedens Sozis droht die Wahlkatastrophe

Die Arbeiterpartei hatte versucht, die migrationsfeindliche Politik der
Rechten zu kopieren – ohne Erfolg

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Für die erste rot-grüne Regierungskoalition Schwedens zeichnet sich für die Parlamentswahl in nicht mal mehr drei Monaten eine Katastrophe ab. Nach aktuellen Meinungsumfragen sind die rechten Schwedendemokraten (SD) mit 21,9 Prozent stärkste Oppositionspartei. Ihnen wird zugetraut, auch die derzeit noch knapp vor ihnen liegenden sozialdemokratische Arbeiterpartei einholen zu können. Könnte am Wahlabend des 9. September in Stockholm eine rechtspopulistische Partei als Siegerin dastehen?

Der grünen Miljöpartiet dagegen ist mehr als ein Drittel ihrer WählerInnen davongelaufen. Die Partei balanciert an der 4-Prozent-Sperrklausel und droht aus dem schwedischen Reichstag zu fliegen. Die Sozialdemokraten sacken offenbar unaufhaltsam ab. Mit 31 Prozent – ihrem Ergebnis von 2014 – hatten sie noch Ende letzten Jahres rechnen können. Jetzt liegen sie unter 24 Prozent.

Da sei nichts zu beschönigen, sagt Parteisekretärin Lena Rådström. Sie empfände den Absturz aber als „eigentlich ungerecht“. Die Regierung von Ministerpräsident Stefan Löfven habe gute Arbeit geleistet: Die Wirtschaft brumme, die Arbeitslosigkeit sinke und in der Sozialpolitik habe die Regierung viele wichtige Reformen verwirklicht. Aber die politischen Debatte werde in hohem Maße von der Einwanderungs- und Integrationspolitik bestimmt.

Umfragen zeigen, dass für die SchwedInnen bei ihrer Wahlentscheidung das Migrationsthema eine wichtige Rolle spielen wird. Die Führung der Sozialdemokraten meinte, darauf mit einer kräftigen Verschärfung ihrer Flüchtlingspolitik reagieren zu müssen. Zu allem Überfluss näherte sich die Partei auch in der Rhetorik den SD an. So verteidigte Finanzministerin Magdalena Andersson kürzlich eine Einschränkung des Familiennachzugs mit der Notwendigkeit, erst einmal die Kinderarmut im eigenen Land bekämpfen zu müssen. Fehlende Gelder in anderen Bereichen entschuldigte sie mit hohen Flüchtlingskosten.

Gemessen an den Umfrageergebnissen profitieren die schwedischen Sozialdemokraten allerdings nicht von ihrem Kurswechsel. Dafür könnten sie viel verlieren: Manche ihrer aktiven Mitglieder kündigen an, für die Partei keinen Wahlkampf führen zu wollen. Von den Jungsozialisten über den Frauenverband bis zu den christlichen Sozialdemokraten haben sich alle Arbeitsgemeinschaften vom Schwenk der Parteiführung distanziert.

Neben den Sozialdemokraten haben sich auch die Konservativen bei der Migrationspolitik auf einen Wettlauf mit den SD eingelassen. Doch der Versuch, mit schärferer Flüchtlingspolitik nach rechts abgedriftete WählerInnen zurückzuholen, sei zum Scheitern verurteilt, lautet das Fazit einer aktuellen Wähleruntersuchung des Stockholmer Instituts für Zukunftsfragen: Die eigene WählerInnen stoße dieser Rechtskurs eher ab, die SD-Sympathisanten bestätige man noch in ihrer Wahl. „Natürlich kommt es uns zugute, wenn andere Parteien unsere Fragen aufgreifen“, zeigt sich auch SDParteisekretär Richard Jomshof hochzufrieden. „Das stärkt unsere Glaubwürdigkeit.“