Jaris Lanzendörfer über Spanien
: Niemand vermisst den Matrosen Lopetegui

In Spaniens Auswahl steckt immer noch ein großer Teil der „Goldenen Generation“, die zwischen 2008 und 2012 alles zerlegte

Der Fußball soll aus Spanien endlich eine Einheit machen. Zumindest für den Zeitraum der WM muss die Katalonien-Krise in den Hintergrund rücken; Katalonier und Basken Hand in Hand auf den Fanmeilen, so die Vorstellung. Wäre da nur nicht Zinedine Zidane gewesen, der durch den Rücktritt als Chefcoach bei Real Madrid Julen Lopetegui die Chance gegeben hat, sein Nachfolger zu werden.

Lopetegui war bis zuletzt Nationaltrainer von Spanien und das durchaus erfolgreich. Ungeschlagen marschierte Spanien durch die Qualifikation, ließ dabei sogar Italien hinter sich. Nun der Wechsel – eigentlich nach der WM – zu Real Madrid. Der spanische Verband fühlt sich betrogen und entlässt Lopetegui mit sofortiger Wirkung.

Das Medienecho ist, natürlich, gewaltig: Die Zeitung El Mundo Deportivo hetzt aber nicht gegen den spanischen Verband, sondern gegen Real Madrid: „Schuld ist Real. Es ist eine Aggression von Real Madrid gegen die Nationalmannschaft. Die Entlassung seitens von Verbandschef Luis Rubiales ist verdient. Lopetegui hat im Rücken des Verbands mit Real verhandelt. Der König ist tot. Es lebe der König.“

Doch warum eigentlich dieser Ärger? War es überhaupt das Können Lopeteguis, das Spanien diese WM-Teilnahme ermöglichte? Oder schlicht Routine? Die weiteren Quali-Gegner waren unter anderem Mazedonien, Liechtenstein oder Israel – selbst für einen Loris Karius keine Herkulesaufgabe. Zumal in Spaniens Auswahl immer noch ein großer Teil der „Goldenen Generation“ steckt, die zwischen 2008 und 2012 alles zerlegte, was nicht rechtzeitig acht Mann in die Abwehr stellte. Insbesondere das eingespielte Innenverteidiger Duo Piqué/Ramos sorgt für eine Stabilität, wie sie jeder Nationaltrainer gerne hätte.

Ob jetzt der neue Nationaltrainer ein Greenkeeper aus Bietingheim-Bissingen wird oder die neue Idealbesetzung Fernando Hierro – über den die spanische Sportzeitschrift ASschreibt: „Wichtig ist, dass die Fußballer das Feuer aufrecht halten über die Krise hinweg. Die Spieler sind diejenigen, die die Spiele gewinnen müssen. Hierro verdient eine Chance, aber der Druck ist jetzt immens für ihn“ – Spaniens Mannschaft wird es nicht sonderlich verändern.

Allein der Barcelona-Block bekommt fast jährlich (zuletzt Ernesto Valverde) einen recht unerfahrenen Vereinstrainer gestellt – und gewinnt dennoch souverän die Meisterschaft. Zu groß ist die Erfahrung im Team, zu groß die Qualität – und zu gering die Einführungszeit für eine andere Taktik; Spaniens erstes Spiel steigt bereits am Freitag gegen den amtierenden Europameister Portugal.

Ein Abwehrspieler wie Sergio Ramos ist ein Leader auf dem Spielfeld, einer, der für seine Mannschaft töten würde – egal unter welchem Trainer und bei welcher Taktik. Mit Lopetegui ist kein Kapitän von Bord gegangen, sondern lediglich ein Matrose.