It’s only Stadtrand-Rock-’n’-Roll …

… but they like it: in der Parkbühne Biesdorf, am Wochenende beim Woodstock-Tribute

Von Gunnar Leue

„Sympathy for the Devil“, schon wieder. Mick Jagger, schwarze Hose, schwarzes Hemd, tänzelt über die Bühne und schürzt die Lippen: „Hu, hu“. Das Publikum huhut zurück. Jagger breitet die Arme aus: „Mehr Orgasmus!“ Tatsächlich, Jagger spricht perfekt deutsch. Klar, er kommt aus Gropiusstadt. Frank „Fucking“ Schröder ist Frontmann von Ed Stones, einer Größe der Berliner Coverbandszene. Am Freitagabend sind sie die Ko-Stars des Abends in der Parkbühne Biesdorf, direkt an der B1 Richtung Osten, drei Autominuten vor Brandenburg. Von der idyllischen Open Air-Bühne (800 Plätze) hat das RAW-Publikum wahrscheinlich noch nie gehört. In Hellersdorf kennt man sie als Hot Spot des Stadtrand-Rock-’n’-Roll.

Der hat seine eigenen Regeln oder besser gesagt Nichtregeln, die sich vom Konzertwesen in der Stadt unterscheiden. Heißer Scheiß, cooles Getue und immer hübsch per Selfie dokumentiert – so läuft das nicht hier draußen. Auch keine Handybildschirme, die den Blick auf die Band versperren. Man sieht die Ed Stones, eingerahmt von Werbeplanen „Dachdeckerei Zimmermann“ und „Sonnenschutz.de“ auf der Bühne und direkt davor vor allem Tänzerinnen mit einem Stil aus der Zeit, als die Ausgehläden noch nicht Clubs hießen. Die Männer bilden eher Labergrüppchen auf den Bänken, rufen laut „Hu, hu“ und shuffeln sich in eine wohlige Bedschumtheit. Viele haben sich herausgeputzt, mit meist ausgeblichenen Kiss-, Santana-, Led-Zeppelin- oder Stones-T-Shirts. Eines leuchtet auffallend gelb und neu: „No Filter“. Hans, 68, aus Bohnsdorf, hat die Stones vergangenes Jahr gesehen, letzte Woche war es ihm zu teuer. „Ed Stones sind auch toll, und es ist familiärer, man ist näher dran“.

Unecht is the new echt

Dass es der unechte Jagger ist, an dem man näher dran ist, scheint fast egal. Der gibt derweil die Rampensau und kombiniert Anmache mit Kulturpessimismus, wie es sich der echte Jagger nie trauen würde: „Nicht viele von uns werden noch 30, 40 Jahre leben, aber wir werden uns immer erinnern: It’s only Rock ’n’ Roll, but I like it.“ Und: „Wir sind die Letzten, die das hier noch machen. In paar Jahren stehen nur noch Computer auf der Bühne! Klatscht mit, it’s only Rock ’n’ Roll, wir sind die Letzten!!!“ Yeah, oh yeah – große Volkskunst, keine Frage.

Die einzige Frage ist: Was hat das mit „Woodstock Forever“ zu tun, wie das zweitägige Tribute an das legendäre Love-&-Peace-Festival von 1969 überschrieben ist? Am Sonnabend spielten immerhin Santana, Joe Cocker und Jimi Hendrix in unecht, die 1969 wirklich dabei waren. Aber die Rolling Stones? Der „Woodstock Never“-Freitag sollte Bands gehören, die 1969 nicht dabei waren, aber hätten sein können, weshalb auch noch Led-Zeppelin-Epigonen auftreten. So ausgedacht hat sich das Fred Schöne, der als Freiberufler die diverse Kultur in Hellersdorf organisiert. In der Umbaupause hält er auf der Bühne ein Plädoyer für die Coverbands: Beatles und Stones hätten früher auch so begonnen, ehe sie selbst bahnbrechende Musik geschaffen hätten. Außerdem sei es, wie er backstage später nachschiebt, eine Zeitreise in die Jugend, an der nichts schlimm sei. „Wenn du die Leute abholen willst, musst du an ihre früheren Empfindungen ran.“

Der 300.000-Einwohner-Bezirk sei nicht historisch gewachsen. Lebten in der Wendezeit viele sehr junge Leute hier, seien es jetzt eben viele ältere. „Die gehen nicht mehr jeden Abend auf Pirsch und sind froh, endlich auch wieder was für sich am Wochenende zu finden. Deshalb kommen die auch aus Lichtenberg und anderen Stadtteilen zu uns.“ Und klar, der Hang zu Coverbands habe auch mit dem Finanzetat zu tun. „Ich kann nur die aufsteigenden und absteigenden Bands herholen, nicht die aktuell angesagten.“