Armeechef Haftar in Libyen: Stellvertreterkrieg um Öl entbrannt

Der libysche Armeechef Haftar reißt sich den Ölexport unter den Nagel. Das dürfte auch die Pläne für Asylzentren der EU im Land erschweren.

Mitglieder der Libyschen Armee

In Libyen ist ein Kampf um Öl entbrannt Foto: reuters

TUNIS taz | Immer mehr europäische Delegationen werden derzeit bei der libyschen Regierung in Tripolis vorstellig. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass noch immer über 70 Prozent der afrikanischen Migranten über die Mittelmeerroute von Libyen nach Italien kommen. Entlang eines 300 Kilometer breiten Küstenabschnitts zwischen der tunesischen Grenze und Garabulli in Libyen könnten schon bald Asylzentren der EU und der UNO entstehen.

Premierminister Serraj Faraj wird der EU-Kommission allerdings nicht mehr als eine Unterschrift zu bieten haben, denn er verfügt weder über Truppen noch Einfluss auf die konkurrierenden Milizen der Hauptstadt. Nun droht Serraj, dessen Mandat Ende 2017 auslief, auch noch das Geld auszugehen. Denn nach Armee und Zentralbank könnte jetzt auch die letzte neutrale Institution des Landes, die Nationale Ölagentur NOC, in eine west- und eine ostlibysche Version zerfallen.

Der international nicht anerkannten NOC hat Armeechef Khalifa Haftar nun die Kon­trolle über den sogenannten Öl-Halbmond übertragen, ein 400 Quadratkilometer großes Gebiet westlich von Bengasi, in dem Afrikas größte Ölvorkommen gefördert werden. Protestschreiben von der EU und der UNO an die libysche Armee blieben wirkungslos.

Die Krise brach aus, als Haftar mit ägyptischer und französischer Hilfe die in einer leicht zugänglichen Wüstenregion stehenden Öltürme von Milizen zurückeroberte, die eine Woche zuvor Libyens einzige Einnahmequelle in wenigen Stunden überrannt hatten. Haftar macht die Einheitsregierung in Tripolis dafür verantwortlich, dass eine Milizen-Allianz aus Islamisten und ehemaligen NOC-Sicherungstruppen von der Hafenstadt Misrata ungehindert in die östliche Provinz Cyreneika vorrücken konnte.

Der Kreml unterstützt Haftar

Die Ölagentur NOC in Tripolis schätzt allein die Verluste des Angriffs auf die Verladehäfen auf „mehrere zehn Milliarden Dollar“. Der Chef des NOC, Mustafa Sanalla, verurteilte den Angriff vom 14. Juli und nannte Jadran einen „Gesetzlosen“, dessen Blockade der Ölfelder vor fünf Jahren Libyen mehr als 100 Milliarden Dollar gekostet hatte, obwohl seine Miliz offizielle Schutztruppe des NOC war. Der Leiter des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses des Parlaments, Tariq al-Jaroushi, behauptete, dass Jadrans Angriff auf die Öl-Halbmond-Region von ausländischen Geheimdiensten geplant worden sei, deren Regierungen mit dem Pariser Abkommen zu Neuwahlen vom vergangenen Dezember nicht zufrieden seien.

Nach der russischen Militärintervention in Syrien erscheint Moskaus Rolle im libyschen Bürgerkrieg auf den ersten Blick wie ein Déjà-vu. Der Kreml unterstützt mit Haftar einen pro­russischen Machtpolitiker, der auf militärische Erfolge statt Verhandlungen setzt. Wie Baschar Assad stellt sich Haftar als Bollwerk gegen gewalttätigen Extremismus dar.

Moskau hat Haftar und die LNA mit umgerechnet drei Milliarden US-Dollar unterstützt und schickte Techniker nach Libyen. Auch französische Spezialtruppen sind in Bengasi aktiv. Das italienische Militär unterhält ein Lazarett in Misrata, von wo der Angriff auf Haftars Truppen gestartet worden war. Bei dem Antrittsbesuch des italienischen Premierministers Mateo Salvini in Tripolis wurde hinter verschlossenen Türen über die Stationierung italienischer Truppen in Südlibyen gesprochen, sagte ein Berater von Premier Serraj der taz.

Die Warnung von Khalifa Haftar kam prompt und schriftlich. Soldaten, die unter dem Vorwand der Migrationskon­trolle in Libyen stationiert würden, würden als Feinde angesehen.

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