Die Keimzelle der Dieselaffäre

Jahrelang dauerten die Ermittlungen gegen Audi-Chef Rupert Stadler – jetzt schnappten die Fahnder zu

Von Kai Schöneberg

Blauer Anstaltsanzug, Einzelzelle, kein Internet, kein Telefon: So sieht seit Montag die Welt von Rupert Stadler in der JVA Augsburg aus. Morgens um kurz vor 7 Uhr legten ihm vier LKA-Ermittler im Auftrag der Staatsanwaltschaft München II in seiner Villa im Ingolstädter Westviertel einen Haftbefehl vor. Der 55-Jährige leistete keinen Widerstand. Fast drei Jahre nach dem Auffliegen des Dieselbetrugs gibt es zwar über hundert Automanager von VW, Daimler, Porsche oder eben Audi, gegen die deutsche Behörden ermitteln. Aber der Audi-Chef, seit 2007 Herr über den Konzern, ist der erste Vorstandvorsitzende, den es trifft. Und erst der zweite Top-Manager, neben Ex-Audi-Motorenchef Wolfgang Hatz, der in Deutschland wegen des Dieselbetrugs sitzt.

Untersuchungshaft für Stadler, den Bauernsohn aus dem Landkreis Eichstätt, der seit den 90ern Karriere bei Audi machte. Ein „Auto-Beben“, titelt die Bild-Zeitung. Bereits in der vergangenen Woche war die Privatwohnung des Betriebswirts gefilzt worden – wie die eines ungenannten Vorstandskollegen. Stadler, der lange unbescholten durch die Krise gekommen war, galt plötzlich als Beschuldigter. Die Ermittler schnappten zu, weil Stadler offenbar nach der Razzia versuchte, Zeugen und Mitbeschuldigte zu beeinflussen. Das LKA hatte sein Handy angezapft – und witterte „Verdunklungsgefahr“. Nun ist Stadler „beurlaubt“. Noch vor einer Woche hatte der Aufsichtsrat des Mutterkonzerns VW entschieden, an Stadler festzuhalten. Eine irritierende Fehleinschätzung.

Die Fahnder werfen Stadler „Betrug“ und „mittelbare Falschbeurkundung“ vor. Jahrelang soll er Audis mit manipulierter Abgassoftware verkauft haben, obwohl er davon wusste. Quelle der deutschen Behörden ist vor allem ein Arbeitsgerichtsprozess mit Ex-Diesel-Entwicklungschef Ulrich Weiß. Er war von Audi nach Bekanntwerden des Skandals entlassen worden. Nach seiner Aussage soll Stadler schon 2010 von den Manipulationen gewusst haben. Stadler hat das stets bestritten.

Laut den US-Behörden, die alles im September 2015 enthüllten, ist Audi sogar die Keimzelle von Dieselgate. Danach begann die Firma bereits 2004, eine von Bosch entwickelte Software so zu programmieren, dass die Autos nur auf Prüfständen die vorgeschriebenen Grenzwerte einhielten. Die Software schaltete die Abgasreinigung aber ab, sobald das Lenkrad bewegt wurde – das Fahrzeug sich also auf der Straße und nicht im Labor befand. Das Wissen der VW-Tochter wurde im Konzern offenbar weitergereicht. Heute sind 11 Millionen Autos von VW betroffen, davon 2,16 Millionen Audi.