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Elmar will nicht mehr anders sein

Auf dem inklusiven Theaterfestival Klatschmohn in Hannover stehen Schüler mit und ohne Behinderung zusammen auf der Bühne. Sie gestalten ihr Programm frei und selbstorganisiert

Der bunte Elefant Elmar will lieber grau sein Foto: Dieter Kempa/Stadt Hannover

Von Joachim Göres

Alle Elefanten sind grau, nur Elmar ist bunt und kariert. Er fällt auf, ist beliebt, doch er will nicht mehr anders sein. Deswegen wälzt sich Elmar in grauen Beeren, nimmt die Farbe seiner Artgenossen an – und kein Elefant interessiert sich mehr für ihn.

Die Geschichte des bekannten Kinderbuchs von David McKee war vergangene Woche auf dem Theaterfestival Klatschmohn in Hannover zu sehen. In „Elmar, der bunte Elefant“ spielen die sechs- bis zehnjährigen Schüler in Tierkostümen Sprechrollen, dazu singt ein Schülerchor. Auf der Bühne steht nicht nur wegen ihrer farbenfrohen Verkleidung eine bunte Truppe: Sechs Kinder gehen auf die Comenius-Schule für geistig Behinderte der Lebenshilfe im niedersächsischen Celle, 14 Kinder besuchen die 2. Klasse der Grundschule im nicht weit entfernten Adelheidsdorf. Drei Stunden in der Woche werden sie gemeinsam unterrichtet, in Sport, Musik, Kunst oder besonderen Projekten.

„Wir haben gemeinsam das Buch gelesen, zusammen die Kostüme gebastelt, die Musikstücke für die Aufführung gesungen und das Theaterstück geprobt“, sagt Förderschullehrer Christoph Neuhaus. Die längeren Sprechrollen übernehmen einige Grundschulkinder, doch auch alle anderen treten auf der Bühne in Erscheinung. Neuhaus spürte bei allen vor dem ersten großen Auftritt vor Publikum eine positive Anspannung: „Es gibt in beiden Klassen Kinder, die gerne Theaterspielen und andere, die eher ängstlich sind.“ Nach der Aufführung mit viel Beifall von vielen Zuschauern auf dem Theaterfestival freuten sich jedoch alle – „das ist gut fürs Selbstbewusstsein.“

Seit 20 Jahren gibt es in Hannover das inklusive Theaterfestival Klatschmohn. Dieses Jahr standen 27 Gruppen aus ganz Niedersachsen auf der Bühne – bei den Förderschulen blieben die Kinder mit Behinderung unter sich, doch es gab auch Auftritte von gemischten Gruppen aus Grundschulen, Realschulen, integrierten Gesamtschulen und Initiativen.

Die Schule am Extumer Weg aus dem ostfriesischen Aurich ist Stammgast auf dem Festival. Einstudiert werden die Stücke im Wahlpflichtfachkurs Theater der Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung. Ab dem achten Jahrgang haben die Schüler die Wahl zwischen wöchentlich zwei Stunden in Musik, Töpfern, Werken oder eben Theater. Bislang kam immer ein Theaterkurs zustande – das Interesse der Schüler daran ist groß, nicht zuletzt, weil in jeder Unterrichtsstunde auch gespielt wird. „Ich gebe keinen festen Stoff vor. Die Schüler schreiben gerne Sketche, so entwickelt sich mit der Zeit ein Stück und ihre Ideen fließen mit ein“, sagt Förderschullehrer Manfred Brüggemann.

Im vergangenen Jahr führten Schüler ein plattdeutsches Stück auf. „Ik bin de Aschkegremer“, sagte Jannis voller Überschwang – und bevor die Zuschauer sich fragend anschauen konnten, sprang ein vor Jannis kniender Übersetzer auf und sagte: „Ich bin Aschenputtel.“ Das Publikum, überwiegend des Plattdeutschen unkundig, lernte viele neue Begriffe. Hinter „Antrekken“ verbirgt sich „anprobieren“, „bitje later“ heißt „etwas später“, „Bring mi mej danzmontur“ bedeutet „Bring mir mein Ballkleid“. Die Schüler stellten mit viel Spielwitz ihr schauspielerisches Talent und Selbstironie („Ist das Russisch? Die Sprache versteht doch kein Schwein!“) unter Beweis. Am Ende des 20-minütigen Stückes gab es viel Beifall und die Schauspieler waren so begeistert, dass sie dem Publikum zuklatschten. „Ich verkleide mich gerne und kann hier Platt sprechen – das macht einfach Spaß. Ich spiele gerne Theater“, sagte Jannis nach dem Stück.

Brüggemann sagt: „Für gewöhnliche Aufführungen werden oft fertige Stücke lange einstudiert.“ Doch hier soll es nicht starr und einstudiert sein: „Bei uns muss kein Text auswendig gelernt werden, das Stück ergibt sich automatisch bei den Proben.“

In diesem Jahr haben die Auricher Schüler das Stück „Das blaue Wunder“ über Schwule und Lesben auf die Bühne gebracht. Dazu drehten sie einen Film, in dem sie sich im Unterricht über das Thema unterhalten – in Hannover wurde der Film mit An- und Abspiel präsentiert. Lenchen Holthuis, pädagogische Mitarbeiterin im Theaterkurs, sagt: „Das Thema haben die Schüler ausgewählt und dann sehr offen darüber gesprochen. Der Riesenapplaus des Publikums war auch eine Belohnung für ihren Mut.“