„Griechenland braucht einen Neustart“

Das Land hat zu viel falsche Medizin bekommen, sagt Giorgos Chondros von der Regierungspartei Syriza

Foto: Pascal Beucker/taz

Giorgos Chondros

60, ist Eth­no­loge und im Vorstand der griechischen Regierungspartei Syriza.

Interview Anja Krüger

taz: Am Donnerstag wollen die Euro-Finanzminister das Ende des Hilfsprogramms für Griechenland am 20. August beschließen.

Giorgos Chondros: Am 21. August werden wir ein großes Stück Souveränität zurückbekommen. Wir werden wieder ein Land sein, dessen Regierung allein über die künftigen Schritte entscheiden kann.

Werden die Gläubiger der Regierung angesichts von 300 Milliarden Euro Schulden nicht weiterhin im Nacken sitzen?

Es wird noch eine Zeit lang eine Aufsicht geben. Aber das Programm ist zu Ende, und es gibt weder Auflagen noch ein neues Programm. Es ist allen klar, dass es eine Art Schuldenschnitt geben muss, weil sonst das Land und die Wirtschaft ihre Zukunft nicht planen können. Die Schuldenfrage der Euroländer muss europäisch gelöst werden.

Was wird die griechische Regierung tun, wenn das Rettungsprogramm ausläuft?

Die Regierung kann jetzt beginnen, ihr eigenes Programm umzusetzen. Das sieht vor, dass die Bevölkerung, die besonders unter dem Programm gelitten hat, Rechte zurückbekommt. Das gilt etwa für das Recht auf den Abschluss kollektiver Tarifverträge, das die Vorgängerregierung auf Druck der Gläubiger abgeschafft hat. Außerdem will die Regierung den Mindestlohn erhöhen, der auf Druck der Gläubiger auf 684 Euro im Monat gesenkt wurde, Steuersenkungen für die Mittelschicht vornehmen, ein Sozialprogramm in Gang bringen, neue Technologien voranbringen und vieles mehr. Das ist kein leichter Weg, denn es ist viel ruiniert worden.

Wird die Regierung neue Schuldenberge auftürmen?

Nein. Wir wollen nicht ins Jahr 2007 zurück. Denn das würde bedeuten, zurückzukehren zu der Politik, die dazu geführt hat, dass das Hilfsprogramm nötig wurde. Das Land braucht einen neuen Start, einen Wiederaufbau, und die Regierung hat dafür ein Programm.

Seit 2010 sind infolge des Programms, das die Gläubiger Griechenland aufgezwungen haben, das Bruttoinlandsprodukt gesunken und die Arbeitslosigkeit gestiegen. Operation gelungen, Patient tot?

Der Patient ist nicht tot, aber sehr, sehr krank. Durch die Hilfsprogramme hat Griechenland 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eingebüßt; jeder Grieche und jede Griechin haben 40 Prozent ihres Einkommens verloren. Es ist immer klar gewesen, dass das Hilfsprogramm die falsche Medizin ist, und das in Überdosis.

Wäre es besser gewesen, wenn Griechenland den Euro verlassen hätte?

Nein. Das hätte eine soziale Katastrophe hervorgerufen. Und die Staatsschulden wären geblieben. Außerdem wäre das die Umsetzung der Politik des damaligen deutschen Finanzministers Schäuble gewesen. Tatsache ist, dass es die Regierung geschafft hat, trotz des großen Drucks Griechenland aus dem Programm zu führen.