Kleinvieh ist Mist

Weil BremerhavenerInnen bei der Post nur Briefmarken kaufen und ihr Girokonto verwalten, schließen dort zwei Postbank-Filialen. Hätten sie mal mehr Aktien gekauft

Kennt sich aus mit Leerstand: Bremerhaven Foto: Michael Bahlow/dpa

Von Karolina Meyer-Schilf

Die Postbank dünnt ihr Filialnetz in Bremerhaven weiter aus. Neben der Wulsdorfer Filiale soll jetzt auch die in der Langener Landstraße im Ortsteil Lehe schließen. Der Aufschrei ist groß: „Hier wird leider mal wieder kurzfristiger Profit über Nachhaltigkeit gestellt“, sagt etwa der SPD-Ortsvereinsvorsitzende in Lehe-Nord, Sergej Strelow. Der Ortsverein protestiere scharf gegen die Schließung der Filiale in Lehe, die eine hohe Bedeutung für den Lebenswert im Stadtteil und die Nahversorgung habe.

Ähnlich klang das auch schon Ende Mai, als die Wulsdorfer Filiale geschlossen wurde: „Einfach die Tür abschließen, mit den Achseln zucken und den Wulsdorfern sagen, man wird sich irgendwann mal äußern, wie es weitergeht, ist keine kundenfreundliche Informationspolitik der Postbank“, ließ sich damals der SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Allers zitieren.

Unverständnis äußert auch die Bremerhavener CDU: Gerade die Filiale in Lehe sei immer hoch frequentiert gewesen, die Warteschlangen reichten oft bis in den Außenbereich. „Dass diese bundeseigenen Unternehmen sich aus ihrer unternehmerischen Verantwortung stehlen, ist nicht mehr zu akzeptieren“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Thorsten Raschen.

Dass immer mehr Banken ihr Filialnetz ausdünnen, ist nicht nur in Bremerhaven zu bemerken. Auch die Sparkasse verringert ihre Präsenz in der Fläche kontinuierlich, zurück bleiben oft zugemüllte Kabuffs, in denen ein Geldautomat und ein Überweisungsterminal stehen.

Und auch die Post selbst verlagert ihr Kerngeschäft immer mehr auf den Einzelhandel. Postschalter werden Supermärkten angegliedert oder Bastelläden, in denen außer Briefmarken und Paketzubehör noch geschmacklose Geburtstagskarten, Schulbedarf und allerlei Bastelutensilien gekauft werden können. Bei der Postbank klingt das so: Das Unternehmen stelle damit sicher, „dass die Versorgung unserer Kunden mit Bargeld und Bankprodukten auch in Zukunft gewährleistet ist“. Das sagte Postbank-Sprecher Ralf Palm auf Nachfrage der taz.

Schuld an dem Ganzen sind ohnehin die KundInnen: Denn die langen Warteschlangen, die laut Thorsten Raschen von der CDU manchmal bis auf die Straße reichen, bestehen eben nicht aus Premium-KundInnen, die mal eben ihr Aktienportfolio erweitern wollen, sondern aus jenen, die die Bank einst groß gemacht haben: den PrivatkundInnen mit ihren bescheidenen Girokonten, die außerdem noch brav ihre Briefe per Post verschicken und dafür Briefmarken brauchen.

„Hier wird kurzfristiger Profit über Nachhaltigkeit gestellt“

Sergej Strelow, SPD-Ortsvereinsvorsitzender Lehe-Nord

Mit denen aber ist kein Staatsbetrieb mehr zu machen: „Die Kundenfrequenz sagt als alleiniges Kriterium wenig über die Wirtschaftlichkeit einer Filiale aus. Dafür ist auch die Art der nachgefragten Dienstleistungen von Bedeutung“, sagt Ralf Palm.

Um den Kunden ein großes Filialnetz mit einem umfassenden Service bieten zu können, müsse für die Bank auch das Verhältnis zwischen reinen Serviceleistungen wie dem Briefmarkenverkauf, Einschreiben und dem Zahlungsverkehr am Schalter und, so nennt man das bei Banken, „wertschaffendem Neugeschäft bei Bankprodukten“ stimmen. Und das stimmt in Bremerhaven eben nicht.

Dabei, so könnte man es auch sehen, kehrt die Postbank nur zu ihren Wurzeln zurück: Hervorgegangen ist sie einst aus den noch in der Kaiserzeit gegründeten Postscheckämtern, die erstmals bargeldlosen Zahlungsverkehr für jedermann möglich machten. Postscheckämter gab es selbst jedoch nur wenige, sie waren für jeweils größere Bezirke zuständig: Für Bremen und Bremerhaven etwa war das Postscheckamt Hamburg zuständig. Gemessen daran leben die BremerhavenerInnen von heute im Filial-Luxus.