Raus aus dem Notfallmodus

Von Beginn an sollen Geflüchtete und andere Nutzergruppen gemeinsam wohnen, schlagen Grüne vor

Von Susanne Memarnia

Die Grünen fordern, in den neu geplanten modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF) von Beginn an Geflüchtete und andere Nutzergruppen wohnen zu lassen. Der Bau dieser 25 Wohnkomplexe in allen Bezirken sei „ein großes stadtentwicklungspolitisches Vorhaben“, das die Wohn- und Lebensqualität in den Quartieren insgesamt verbessern könne, sagte Fraktionschefin Antje Kapek am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. „Wir müssen raus aus dem Notfallmodus, mehr auf Klasse statt Masse setzen.“

Die erste Generation von MUF wurde ab 2016 vor allem in sozialschwachen Außenbezirken gebaut: umzäunte Wohnklötze für rund 500 Menschen. Mit Nachbarn gibt es oft wenig Kontakt, mancherorts wurde der Kita- und Schulplatzmangel durch die neuen BewohnerInnen noch offenkundiger. Die neue MUF-Generation, die sogenannte „MUF 2.0“, soll nach Vorstellung des Senats abgeschlossene Wohneinheiten in Appartementform beinhalten, also keine Heime mit Gemeinschaftsküchen mehr. Zudem werden sie im ganzen Stadtgebiet verteilt. Allerdings sollen sie größtenteils noch immer bis zu 500 Menschen beherbergen.

Es geht auch ohne Flüchtlingsbaurecht

Die Grünen loben dagegen Initiativen aus den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, wo die Bezirkspolitik kleinere Standorte mit integrativen Wohnkonzepten favorisiert. Möglich werden könne dies durch weitgehenden Verzicht auf das Bauen nach Flüchtlingsbaurecht (Paragraf 246 Baugesetz), erklärte Bettina Jarasch, integrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Der Paragraf erlaubt beschleunigte Genehmigungsverfahren und Wohnungsbau in dafür nicht vorgesehenen Gebieten, dafür dürfen drei Jahre lang nur Geflüchtete dort wohnen. Dieser Einschränkung müsse man sich an vielen Standorten nicht unterwerfen, so Jarasch. „Unsere Praktiker in den Bezirken sagen, da wo es Einigkeit gibt, kann man auch ohne Flüchtlingsbaurecht schnell bauen.“ Der Vorteil: Andere Nutzergruppen wie Studierende, Senioren oder wohnungslose Frauen mit Kindern könnten von Beginn an auch von den Neubauten profitieren.

Die neuen Gebäude sollen sich zudem in den Kiez und zur Nachbarschaft hin öffnen, sagen die Grünen. Als Positivbeispiel nannte Jarasch die MUF in der Quedlinburger Straße in Wilmersdorf, auf deren Flachdach eine öffentliche Kita gebaut wird sowie im Gebäude ein Gemeinschaftsraum, der als Kieztreff genutzt werden soll. Zudem sollten beim Bau partizipative und nachhaltige Ansätze berücksichtigt werden, erklärte Kapek – etwa Holzmodulbauten, die schnell realisierbar, kostengünstig und ökologisch seien. In NRW gebe es bereits solche Projekte, die teils sogar von Geflüchteten gebaut worden seien.

Jarasch und Kapek betonten, dass ihre Vorschläge nicht gegen die bisherigen Senatspläne gerichtet seien, sondern als Weiterentwicklung gedacht. Das „Grundpaket“ mit den 25 Standorten „schnüren wir nicht mehr auf“, so Jarasch. Aber wenn Bezirke ihre Quote von rund 1.000 Wohnplätzen alternativ erfüllten, „unterstützen wir das“. Kapek ergänzte: „Der Senat macht seinen Job okay, aber wir wollen, dass er ihn supergut macht.“