Kommentar Seenotrettung: Italiens Propagandaminister

Italiens Innenminister Salvini teilte per Tweet mit, Marineschiffe internationaler Missionen blockieren zu wollen. Seine Hetze zahlt sich für ihn aus.

Migranten unterhalten sich an Bord eines Rettungsschiffs der Hilfsorganisation «Open Arms». Das von Italien abgewiesene Rettungsschiff ist mit 60 Flüchtlingen an Bord in den Hafen von Barcelona eingelaufen.

Keine Gnade aus Italien: Migrant*innen auf Schiff der Hilfsorganisation „Open Arms“ Foto: ap

Die NGO-Schiffe hat Matteo Salvini, Italiens Innenminister und Chef der rechtspopulistischen Lega, schon erfolgreich aus Italiens Häfen vertrieben. Doch das reicht ihm noch nicht. Per Tweet ließ er nun in Großbuchstaben wissen, auch die Marineschiffe der internationalen Missionen wolle er „BLOCKIEREN“. Der Grund für seine Aufregung: Ein irisches Schiff hatte am Samstag 106 Flüchtlinge nach Messina gebracht.

Man könnte Salvini nun entgegenhalten, als Innenminister sei er für die EU-Missionen im Mittelmeer gar nicht zuständig – und seine Kollegin aus dem italienischen Verteidigungsministerium tat dies denn auch sofort. Ebenso könnte man ihm entgegnen, er arbeite sich da seit Wochen an einem Nichtproblem ab. Gerade einmal 17.000 Flüchtlinge kamen von Januar an übers Mittelmeer, 80 Prozent weniger als noch letztes Jahr. Vor einem Jahr nämlich schloss die vorherige italienische Mitte-links-Regierung jenes Abkommen mit Libyen, das den Zuwachs der Flüchtlinge drastisch reduzierte.

Salvini aber dürften solche Einwände kalt lassen. Operativ muss er schließlich gar nicht viel bewegen. Stattdessen kann er, gleichsam gratis, Stimmung machen. Dass die Immigration ein großes Übel sei, ist in Italien mittlerweile zum nur noch von kleinen Minderheiten angezweifelten Axiom geworden, ebenso wie das Mantra, Italien werde mit seinen Flüchtlingen allein gelassen.

Für Salvini öffnen sich da große Möglichkeiten – per Twitter und Facebook gibt er eher den Propaganda- als den Innenminister, und seine Stimmungsmache zahlt sich aus. Ohne dass er politisch tatsächlich groß handeln müsste, zeigt seine Popularitätskurve steil nach oben. Auch jetzt wird er kaum etwas unternehmen, um die Häfen wirklich komplett zu sperren.

Folgenlos bleibt seine Politik dennoch nicht. Die Zahl der Toten im Mittelmeer steigt, seit die NGO-Schiffe kaum noch Einsätze fahren können – und zugleich neigt sich das Mitgefühl der großen Mehrheit der Italiener gegenüber den Opfern Richtung null.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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