Marode belgische Atomkraftwerke: Trotz Risse dürfen sie weiterstrahlen

Die deutsche Reaktor-Sicherheitskommission hat keine Einwände gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 und Doel 3. Ein breites Bündnis sieht das anders.

Drei Reaktoren eines AKWs vor einem blauen Himmel; es steigt Rauch auf

Laut Kommission nehmen die Risse nicht signifikant zu, auch bei Störfällen seien sie kein Extra-Risiko Foto: dpa

Die nach zahlreichen Störfällen, vor allem aber wegen Tausender Risse an den Reaktordruckbehältern stark umstrittenen belgischen Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 können nach Ansicht der deutschen Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) auch künftig sicher betrieben werden.

Es sei hinreichend erwiesen, dass die Risse in den Schmiederingen der Druckbehälter schon während der Herstellung entstanden seien, heißt es in einem Gutachten der RSK. Anzahl und Größe der Risse nähmen nicht signifikant zu und stellten auch bei Störfällen kein zusätzliches Risiko dar. Warum Komponenten mit so vielen Rissen überhaupt verbaut wurden, bleibt in der Stellungnahme unklar. Die RSK berät das Bundesumweltministerium in Fragen der Sicherheit von AKWs und der Atommüllentsorgung.

Die Risse von bis zu 17 Zentimetern an den Blöcken Tihange 2 und Doel 3 wurden bei Ultraschalluntersuchungen entdeckt. Infolge von Bränden und Ausfällen von Kühlwasserpumpen mussten die Reaktoren in der Vergangenheit mehrfach notabgeschaltet werden. Zudem ist in beiden Kraftwerken die Lagerkapazität für radioaktiven Müll so gut wie erschöpft.

Für die umgehende Abschaltung der beiden AKWs macht sich auf deutscher Seite ein breites Bündnis aus Bürgerinitiativen, Kommunen und Politik stark. Zu den Unterstützern zählt auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Auch Ex-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte eine Abschaltung von ­Tihange 2 und Doel 3 gefordert. Belgien stimmte aber nur einem Austausch von deutschen und einheimischen Experten zu. Ergebnis davon ist die RSK-Stellungnahme.

„Kein Anlass zur Entwarnung bei genauer Lektüre“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält die offenen Sicherheitsfragen nun für „weitgehend geklärt“. Sie will gleichwohl „nicht nachlassen, für den Atomausstieg in unseren Nachbarländern zu werben“. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) nennt den RSK-Bericht „erst einmal eine beruhigende Nachricht“. Trotzdem bleibe das Land dabei, dass die beiden Reaktoren „baldmöglichst“ abgeschaltet werden sollten.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer kritisiert mit Blick auf die Risse, die RSK habe auf Fragen zu den Messmethoden bisher keine Antwort geliefert. Die Stellungnahme gebe „bei genauer Lektüre keinen Anlass zur Entwarnung“. Aus Sicht der regionalen Anti-Atom-Initiativen kann ein Druckbehälter mit Rissen nicht die gleiche Widerstandskraft ausweisen wie ein unversehrter. In Extremsituationen ­bedeute dies den „Unterschied zwischen Beherrschen und Bersten“.

Belgien will bis zum Jahr 2025 aus der Atomenergie aussteigen. Tihange 2 wird demnach im Jahr 2023, Doel 3 im Jahr 2022 abgeschaltet. Bis dahin laufen die beiden AKW-Blöcke weiter – auch dank deutscher Hilfe: Sie werden von der Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementeschmiede in Lingen beliefert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.