Die Wahrheit: Glücklich sein mit Harzer Käse

Nicht jeder, der ein heimeliges Schlafwagenabteil sein eigen nennt, darf auch darin schlafen. Die Geschichte eines Sommertrips …

Wir waren jung und hätten das Geld gebraucht. Die Semesterferien lagen vor uns, und drei Monate „Banane an Bord“ hätten ein Jahr Dolce Vita zur Folge gehabt. „Banane an Bord“ war ein Knochenjob im Hafen, bei dem man stundenlang monströse Bananenstauden in ein Kühlhaus schleppte. Dafür war die Entlohnung fantastisch.

Schade nur, dass wir es viel reizvoller fanden, die Rucksäcke zu schultern und in den Süden zu brausen. „Granada, Córdoba, Sevilla“, säuselte ich: „Der Glanz der Kalifen!“ „Du weißt, das heißt ein Jahr Harzer Käse“, sagte Walter. Ich nickte. Und schon waren wir weg.

Allerdings ist es auch bei ausgedehnten Reisen nicht von Übel, die Taschen voller Geld zu haben, und weil wir viel zu selten Bananenstauden schulterten, war unsere Reisekasse mehr als mau. Um immerhin die Bauwerke Andalusiens betreten zu dürfen, unterwarfen wir uns einem rigiden Spardiktat, und das bedeutete zu trampen statt den Zug zu nehmen, oft wild zu campen und bei der Ernährung – denn Harzer Käse kennt der Spanier nicht – ausschließlich auf Brot mit Knoblauch zu setzen.

So kam es, dass wir nicht völlig pleite waren, als wir auf dem Rückweg die spanisch-französische Grenze bei Cerbère wieder erreichten. Es war schon trostlos Herbst in dieser Gegend, und so kauften wir zwei Studententickets in den Norden. „Wir Glückspilze!“, flüsterte Walter, als wir den Nachtzug, der schon am Gleis stand, durchstreiften und auf ein letztes leeres Abteil stießen. Wir zogen die Sitze aus und die Vorhänge zu, riefen: „Occupé!“, sobald jemand klopfte, und fanden, dass dieses Luxuslager eine angemessene Entschädigung für die vielen harten Schlafsacknächte der letzten Wochen war.

Dann aber klopfte es wieder, und draußen standen zwei junge Frauen. Jeder, der bei Verstand ist, weiß, dass das Schicksal dir niemals zusätzlich zu einem leeren Abteil auch noch zwei hinreißend Lächelnde vorbeischickt. Doch genau dieses Lächeln hatte das Licht in unseren Schädeln bereits ausgeknipst, und so ließen wir sie blöde grinsend rein und marschierten bereitwillig zum Waschraum, als sie meinten, dass unsere Füße doch recht bestialisch müffeln würden.

Als wir zurückkamen, standen unsere Rucksäcke draußen. Drinnen bei den Ladys saßen zwei mit Popperfrisuren, die auch in den nächsten Monaten wieder an unserer Statt mit diesen Anbetungswürdigen herumziehen würden, weil sie ihnen mit Hilfe von Papas Dauerauftrag etwas anderes bieten konnten als bestialisch müffelnden Käse mit Trockenbrot.

Und weil sie die Abteiltür obendrein mit einem Vierkantschlüssel abgesperrt hatten, blieb uns nichts übrig, als im Gang zu fläzen und zur Melodie von „Es muss nicht Hummer sein mit Mayonnaise / man kann auch glücklich sein mit Harzer Käse“ wegzudämmern.

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Joachim Schulz wurde 1963 an der Nordseeküste geboren und in Regen, Wind und Nebel großgezogen. Er lebt mittlerweile in einer kleinen Welt in der hessischen Provinz, wo unablässig die großen Fragen des Lebens erörtert werden, und ist seit 1996 im Einsatz für Die Wahrheit.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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