Hamburger Verfassungsschutzbericht 2017: Viel Feind, viel Arbeit

Mit Islamismus und Linksextremismus musste sich Hamburgs Verfassungsschutz 2017 vor allem herumschlagen. Der G20-Gipfel ist zwar vorbei, aber zu tun gäbe es genug.

Ein Demonstrant trägt ein Schild mit der Aufschrift "Verfassungsschutz zur Hölle!".

Der Verfassungsschutz hat es sich mit vielen verscherzt: Demo zum NSU-Verfahren Foto: dpa

HAMBURG taz | Innensenator Andy Grote (SPD) hat alle Hände voll zu tun: „Der Demokratie mangelt es nicht an Feinden, deshalb mangelt es dem Verfassungsschutz nicht an Arbeit“, sagte er am Donnerstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2017. Und das vorige Jahr sei „besonders herausfordernd“ gewesen, findet Grote.

Islamismus

Der zweite „große Schwerpunkt“ in der Arbeit des Verfassungsschutzes sei der Islamismus und Salafismus in Hamburg, referierte Grote. Exakt 1.565 Islamisten hat er 2017 in der Hansestadt gezählt, 210 mehr als im Vorjahr. Darunter fielen 780 Salafisten (2016: 670), von denen wiederum 420 Dschihadisten seien, 100 mehr als ein Jahr zuvor.

Allerdings hat die islamistische Szene sich recht ruhig verhalten. 79 Delikte (2016: 168) werden ihr zur Last gelegt, darunter vier Straftaten und ein Gewaltdelikt. Dieses ist der Fall des Palästinensers A., der am 28. Juli vergangenen Jahres in Barmbek in einem Supermarkt einen Menschen erstach und sechs weitere zum Teil schwer verletzte. Der „psychisch labile“ Täter, wie Voß es ausdrückte, habe sich in polizeilichen Vernehmungen als „Terrorist“ bezeichnet, deshalb sei er „dem islamistischen Spektrum zuzuordnen“, obwohl der IS sich zu der Tat nicht bekannt habe.

Linksextremismus

Wenig überraschend gab es 2017 in Hamburg deutlich mehr Menschen, die dem linksextremistischen Spektrum zugerechnet werden, und ebenso deutlich mehr Vorfälle – alles wegen des G20-Gipfeltreffens im Juli natürlich.

1.220 Linksextremisten hat der Verfassungsschutz gezählt, 100 mehr als 2016. Davon hält er 770 für „gewaltorientiert“. Ein Jahr zuvor seien es 650 gewesen. 540 seien Autonome aus der Roten Flora, 60 zählten zur Interventionistischen Linken (IL). Hinzu kämen 120 Anti-Imperialisten, vor allem aus dem Roten Aufbau, dem Internationalen Zentrum in der Brigittenstraße 5 (B 5) auf St. Pauli und der Anarcho-Szene. Vor allem die IL und der Rote Aufbau seien, gerade bei den G20-Aktionen, „sehr relevant und wirksam“ gewesen.

Alle zusammen hätten 2.157 Delikte begangen, drei Mal so viele wie 2016. Verzehnfacht habe sich die Zahl der Straftaten von 165 auf 1.625, darunter 1.001 Gewaltdelikte, vor allem Brandstiftungen, Ladenplünderungen und Körperverletzungen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel.

Zur Roten Flora äußerte Grote sich auf Nachfrage zurückhaltend. Deren Zukunft sei „offen“, über „Handlungsoptionen“ des Staates wolle er nicht öffentlich reden. „Wir zetteln keine Räumungsdebatte an“, sagte der Senator. Dann würden sich nur „weite Teile von Institutionen und Gesellschaft solidarisieren“.

Die Linkspartei in Gänze werde seit Jahren nicht mehr beobachtet, ergänzte Verfassungsschutz-Chef Torsten Voß auf Nachfrage, lediglich deren Nachwuchsorganisation und die „Kommunistische Plattform“ von Talk-Show-Liebling Sahra Wagenknecht. Überliefernswerte Erkenntnisse indes gebe es nicht.

Rechtsextremismus

Den gibt es auch noch in Hamburg, wie im Vorjahr werden ihm 320 Personen zugerechnet. Etwa 100 gehören der NPD an, genau so viele der „Identitären Bewegung“ und der „Hamburger Burschenschaft Germania“, der Rest sei eher „unstrukturiert“. Von den 428 Delikten sei der allergrößte Teil Volksverhetzung, Beleidigung und das Tragen verfassungswidriger Kennzeichen. Bei den 15 Gewalttaten handelte es sich fast ausschließlich um Körperverletzungen.

Grote warnte jedoch davor, dass Rechtsextremisten „hoffähig“ gemacht würden. Bei den Anti-Merkel-Demos hätten viele Teilnehmer „Berührungsängste mit Rechtsextremisten nicht gehabt“. Zur Szene der „Reichsbürger“ rechnet der Verfassungsschutz 130 Personen, davon etwa ein Dutzend „mit Bezügen zum Rechtsextremismus“.

Gewalttaten hätten sie bislang nicht verübt. Die AfD werde im Übrigen in Hamburg nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Zum NSU-Komplex konnte Voß nur mitteilen, dass noch immer keine Erkenntnisse über eine Beteiligung von Hamburger Rechtsextremisten vorlägen.

Konsequenz

Wegen all dieser „Herausforderungen“, sagte Grote, werden der Verfassungsschutz personell um gut 20 auf 200 MitarbeiterInnen aufgestockt. Damit könne dieser „seine Rolle als Torwächter der Demokratie“ bestens erfüllen.

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