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Retrowelle vom Feld

Pastinaken, Topinambur oder Steckrüben: Viele Gemüsesorten sind lange Zeit nur noch selten auf den Tisch gekommen. Mittlerweile erleben die Gewächse eine Renaissance

Können auch knusprig: Pastinaken Foto: Eveline Johnsson/plainpicture

Von Laila Oudray

Mehr als 80 Prozent aller Deutschen essen laut dem Ernährungsreport 2017 weniger Gemüse, als sie sollten. Vielleicht liegt es am Kindheitstrauma, als man nicht gehen durfte, bis man ungewürzten Brokkoli hinuntergewürgte hatte. Vielleicht liegt es auch daran, dass vielen gar nicht bewusst sein dürfte, was es für eine Artenvielfalt beim Gemüse gibt.

Dabei muss man nicht einmal in ferne Länder schauen. Tatsächlich gibt es Dutzende Gemüsesorten, die schon die Urgroßeltern regelmäßig gegessen haben, die aber mittlerweile vergessen zu sein scheinen. Dabei haben die alten Sorte Vorteile: Sie stammen meist aus der Region und müssen nicht weit transportiert werden. Damit sind sie nicht nur frisch auf dem Markt erhältlich, sondern sind auch ökologischer als bekannte Gemüsearten, die aus dem Ausland importiert werden müssen. In den letzten Jahren gab es eine Renaissance verschiedener Gemüsesorten, die nun vermehrt in Küchen und Restaurants verwendet werden.

Topinambur ist so ein Beispiel. Eng mit der Sonnenblume verwandt, wird die Pflanze auch Erdsonnenblume genannt. Die essbaren Wurzelknollen sind gelbbräunlich bis violett und sehen von außen aus wie Ingwer. Der Geschmack ist mild, ein wenig nussig und süßer als die der Kartoffel. Man kann sie auch wie Kartoffeln verwenden – man kann sie braten, kochen oder zu Chips verarbeiten. Einfach in Scheiben schneiden, mit Salz und Pfeffer würzen und im Ofen bei leicht geöffneter Tür etwa 30 Minuten backen. Die leichte Süße der Knolle kommt so am besten hervor.

Auch Pastinaken sind für Chips hervorragend geeignet und ein schönes Beispiel, dass Gemüse ein Comeback feiern können. So kamen sie im 19. Jahrhundert noch regelmäßig auf den Tisch. Mit dem Siegeszug der Kartoffel wurden sie verdrängt. Doch seit einigen Jahren wird die Kreuzung aus Karotte und Petersilie wieder vermehrt zubereitet. Das liegt sicherlich an ihrem würzigen, leicht nussigen Geschmack und der Tatsache, dass sie sehr wandelbar ist. Nicht nur als Chips oder auch als Fritten schmecken sie sehr gut, so lassen sich deftige und doch feine Suppen mit Pastinaken zubereiten. Beispielsweise ist eine Pastinaken-Apfel-Suppe eine perfekte Kombination aus Würze und Süße.

Ein weiteres Gemüse, das langsam aus der Versenkung hervorkommt, ist die Steckrübe. Die Steckrübe hat ein verstaubtes Image und stand lange Zeit nicht mehr auf deutschen Speiseplänen. Vielleicht weil man die Steckrübe vor allem mit harten Zeiten und Hunger verbunden hat, in der Nachkriegszeit waren die Rüben notgedrungen das Hauptnahrungsmittel – vor allem im Winter. Klassischerweise wird die Rübe in kleine Würfel oder Streifen geschnitten und gedünstet. Auch beliebt sind Eintöpfe in Kombination mit Kartoffeln. Das Fruchtfleisch ist süßlich, sodass es sich, geraspelt oder in dünne Scheiben geschnitten, auch als Rohkost eignet. Doch die Steckrübe kann auch als Hauptspeise bestehen – beispielsweise als Curry.

Gabriele Redden Rosenbaum: Vergessene Gemüse: Feine Rezepte für Pastinake, Portulak und mehr. Bassermann Inspiration, 128 Seiten, antiquarisch ab 1,25 € erhältlich.

Thomas Ruhl: Gemüse aus dem Bauerngarten: Vergessene und besondere Sorten. Fackelträger Verlag, 256 Seiten, 19,99 €.

Keda Black: Alte Gemüsesorten neu gekocht. AT-Verlag, 192 Seiten, 22,90 €.

Ein köstliches Unkraut

Ein weiteres Gemüse, das unter einem schlechten Image leidet, ist die Gartenmelde. Als Unkraut verschrien, ist dieser enge Verwandte des Spinats eine köstliche und gesunde Alternative. Schon in der Antike wurde die Gartenmelde geschätzt, doch in Deutschland geriet sie mit dem Aufkommen von Spinat in Vergessenheit. Eigentlich unverständlich, wenn man bedenkt, dass die Gartenmelde zarter und weniger bitter schmeckt. Im Rheinland ist die Gartenmelde bis heute beliebt und wird auf Wochenmärkten angeboten. Wer aus einer andere Region kommt, kann sie eigenständig sammeln. Die Pflanze wächst bevorzugt auf Schuttplätzen, an Mauern und an Hecken. Für die Küche muss man sich bei der Gartenmelde nicht groß umorientieren. Man kann die Gartenmelde genau wie Spinat verwenden.

Es gibt noch Dutzende weitere Gemüsesorten, die nicht so geschätzt werden, wie sie es eigentlich verdient hätten. Sie verdienen ein Comeback und es lohnt sich, sie wieder zu entdecken – ökologisch und geschmacklich. So sollte es auch keine Schwierigkeit darstellen, endlich mehr Gemüse zu essen.