Mitten im rechten Leben

NSU-Helfer Wohlleben findet nach Haftentlassung Aufnahme bei völkisch-heidnischer Gruppe

Im NSU-Prozess zu zehn Jahren Haft verurteilt und jetzt wieder auf freiem Fuß: Ralf Wohlleben Foto: reuters

Von Andreas Speit
und Andrea Röpke, Hamburg

Von der über sechsjährigen Untersuchungshaft zurück in die harte rechtsextreme Szene: Am vergangenen Mittwoch aus dem Gefängnis entlassen, soll der NSU-Helfer Ralf Wohlleben nun bei dem Leiter der völkisch-heidnischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“, Jens Bauer, Unterschlupf gefunden haben.

Schon in der NSU-Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht München zeigte Wohlleben, dass er trotz Haft und anstehender Urteilsverkündung die „nationale Sache“ nicht verraten würde. Während der 438 Verhandlungstage erschienen denn auch immer wieder Kameraden, um dem Jenaer Neonazi, der zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt wurde, beizustehen. Des Öfteren kam auch Bauer aus dem Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt.

Bauer lebt in der Gemeinde Elster­aue, Ortsteil Bornitz. Seit Juni 2015 ist er Vorsitzender der „Artgemeinschaft“. Die völkisch-heidnische Gruppe, 1951 von einem ehemaligen SS-Mitglied gegründet, richtet in der kleinen thüringischen Gemeinde Ilfeld regelmäßig Brauchtumsfeiern in der Wanderherberge „Zum Hufhaus“ aus – zuletzt zur Sonnenwendfeier am 22. Juni. Nach der Übernahme des Vorsitzes gelang es Bauer, das Netzwerk zu erweitern. Anhänger von in Deutschland verbotenen Organisationen wie der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und „Blood & Honour“ wirken mit. Nicht jeder Rechte ist aber in diesem Kreis erwünscht, dessen Ziele eine „artgemäße“ Lebensführung, der Erhalt „unserer Menschenart“ und die „reine Weitergabe unseres Erbes“ sind. In einer Selbstdarstellung erklären sie, „kein ‚Schönwetterverein‘“, sondern vielmehr „ein Kampfbund“ zu sein.

In der vierteljährlich erscheinenden Nordischen Zeitung, die von der „Artgemeinschaft“ herausgegeben wird, heißt es, es gehe der Gruppe darum, eine „politische Befreiung des Landes“ zu erreichen. Von der „Befreiung des Geistes“ ist dort die Rede und einem „aufgezwungenen Orientalismus“. Schließlich hätte das Juden- und Christentum den arischen Menschen von seinen Göttern und seiner Lebensweise entfremdet. Ihr Sittengesetz gebiete ihnen indes eine „gleichgeartete Gattenwahl“ als „Gewähr für gleichgeartete Kinder“. In dem ausgewählten Kreis bewegte sich mit André Eminger ein weiterer NSU-Helfer – der im NSU-Prozess zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde und unmittelbar nach der Urteilsverkündung freikam.

Bauer betreibt in der sachsen-anhaltischen Provinz das Versandhaus und die Stickerei Artam. Im Angebot sind Utensilien für die „artgerechte“ Lebensweise, inklusive „germanischer Jahresweiser für die Sippe“. Das Motto der Firma lautet: „Hüter der Scholle“. Bei diesen Hütern dürfte sich der frühere NPD-Funktionär Wohlleben politisch wohlfühlen. Und auch die Umgebung könnte passen: Der Burgenlandkreis gilt als eine rechte Hochburg.