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Politisches Interesse, gute Leistungen

Parteinahe Stiftungen vergeben Stipendien an Studierende. Die müssen dafür nicht mal Parteimitglieder sein

Geben parteinahen Stiftungen ihre Namen: Rosa Luxemburg (r.) und Heinrich Böll Foto: Fotos (2): dpa

Von Joachim Göres

Die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung sind die größten deutschen politischen Stiftungen. Sie setzen sich für die Ziele und Grundwerte der CDU beziehungsweise der SPD ein und bieten Studierenden Stipendien an, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Dabei bekommt jeder erfolgreiche Bewerber meist für die Dauer der Regelstudienzeit monatlich 300 Euro, Studierenden mit Anspruch auf Bafög wird eine höhere Summe gewährt.

Von den Bewerbern verlangen beide Organisationen – wie auch andere parteinahe Stiftungen – überdurchschnittliche Schul- oder Studienleistungen, besonderes gesellschaftliches Engagement sowie eine inhaltliche Nähe zur politischen Ausrichtung der jeweiligen Stiftung – eine Parteimitgliedschaft ist aber keine Voraussetzung. Gesellschaftliches Engagement bedeutet bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linkspartei) etwa die Mitarbeit in antifaschistischen, gewerkschaftlichen, feministischen oder antirassistischen Initiativen. Die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) erwartet dagegen den ehrenamtlichen Einsatz für die Allgemeinheit „in Politik, Hochschulpolitik, im christlich-konfessionellen oder karitativen Bereich“, den man durch Gutachten von Lehrern, Pfarrern oder Bürgermeistern belegen soll.

In der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) organisieren Stipendiaten „jährlich einen Ball und sind äußerst aktiv im Fundraising“. Sie will die Persönlichkeit des Einzelnen fördern, wozu sie Zuverlässigkeit, Leistungswille, Entschlussfreudigkeit und die Übernahme von Verantwortung im liberalen Sinne zählt. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD) sucht man nach Persönlichkeiten, die politisches Denken, Wissensdrang, Toleranz und Offenheit, Teamorientierung, Kritikfähigkeit und Selbstreflektion mitbringen.

Bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) gehören die Festigung der Demokratie, die Förderung der europäischen Einheit, die Intensivierung der transatlantischen Beziehungen und die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu den besonderen Anliegen, mit denen sich die Stipendiaten identifizieren sollen. Die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen) wünscht sich Bewerber, die die Grundwerte Demokratie, Ökologie, Solidarität und Gewaltfreiheit teilen.

Die Böll-Stiftung fordert bestimmte Gruppen ausdrücklich zur Bewerbung auf, die bei ihr bislang unterrepräsentiert sind. Dazu gehören Studierende der Natur-, Rechts-, Wirtschafts-, Technik- und Medienwissenschaften. Auch der Anteil von Ostdeutschen und Studierenden von Fachhochschulen soll erhöht werden. Die Böll-Stiftung fördert zudem besonders Studentinnen, Studierende mit Migrationshintergrund sowie junge Leute, die als erste in ihrer Familie mit einer akademischen Ausbildung beginnen.

Diese drei Gruppen spricht auch die Ebert-Stiftung extra an, die besonders an Bewerbern aus künstlerischen Studiengängen interessiert ist. „Bei vergleichbarer Leistung und Engagement werden Frauen, sozial Bedürftige und Menschen mit Behinderung bevorzugt“, lautet ein wichtiger Grundsatz bei der Luxemburg-Stiftung.

Von den Stipendiaten wird auch erwartet, dass sie an Grundlagen- und Fachthemenseminaren teilnehmen, auf denen sie mit den Positionen der jeweiligen Stiftung vertraut gemacht werden. Zudem gibt es an vielen Universitäten und Hochschulen Stipendiatengruppen, in denen die aktive Mitarbeit erwünscht ist. Die Stiftungen sehen es auch gern, wenn sich die Stipendiaten in ihren Arbeitskreisen engagieren. Die Naumann-Stiftung bietet beispielsweise Initiativen zur Gesundheitspolitik, Unternehmensgründung und Entwicklungspolitik an. Bei der Luxemburg-Stiftung stehen in den Arbeitskreisen ganz andere Themen im Mittelpunkt, unter anderem NS-Verbrechen, NSU, Marxismus, Burn-out und die Türkei.

Sie bietet als Besonderheit für ihre Stipendiaten Coaching und Supervision an, um „Fragen und Probleme, die euch in eurem politischen und studentischen Zusammenhängen beschäftigen, zu klären“. Bei der Ebert-Stiftung stehen 1.400 ehemalige Stipendiaten als Mentoren für eine persönliche Beratung bereit. Die Adenauer-Stiftung vergab im vergangenen Jahr an 2.669 deutsche Studierende Stipendien. Zudem wurden 292 ausländische Studierende sowie 425 Uni-Absolventen bei ihrer Promotion finanziell gefördert. Ein spezielles Programm wurde – wie auch bei anderen Stiftungen – für Flüchtlinge aufgelegt.

Alle Stiftungen bemühen sich, den Kontakt nach dem Studium zu ihren Alt-Stipendiaten zu halten – sie werden als Leistungsträger gesehen, die sich künftig in verantwortlicher Stellung für die Ziele ihrer einstigen Unterstützer einsetzen sollen. Die Stiftungen der politischen Parteien werden zu über 90 Prozent durch staatliche Zahlungen finanziert, die vor allem aus Bundesmitteln und zu geringeren Teilen aus EU-Geldern und Zahlungen der Bundesländer stammen.

2017 bekam die Ebert-Stiftung insgesamt rund 171 Millionen Euro, gefolgt von der Adenauer-Stiftung (167 Millionen), der Luxemburg-Stiftung und der Böll-Stiftung (jeweils 64 Millionen) sowie der Seidel- und der Naumann-Stiftung (jeweils 58 Millionen). Seit 2012 hat sich der Gesamtbetrag um 30 Prozent erhöht, eine Obergrenze existiert nicht. Bewilligt werden die Bundesmittel durch die Abgeordneten des Bundestages – daran entzündet sich immer wieder Kritik.

Es gelten unterschiedliche Bewerbungsfristen. Nähere Infos online bei den Stiftungen: www.hss.de, www.fes.de, www.kas.de, www.rosalux.de, www.freiheit.org, www.boell.de