heute in hamburg
: „Die Sehnsucht, gemeinsam am Tisch zu sitzen“

Foto: Andreas Köhler

Melanie Andernach, 44, arbeitet als Regisseurin und hat mit Andreas Köhler den Film „Global Family“ gedreht.

Interview Marie Schulz

Frau Andernach, was assoziieren Sie persönlich mit dem Begriff „Familiennachzug“?

Melanie Andernach: Das kann ich aufgrund des Films nur auf einer sehr emotionalen Ebene beantworten. Ich verstehe darunter die Sehnsucht von Menschen, wieder gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Und diese Sehnsucht habe ich bei Familie Shaash gespürt.

Familie Shaash ist die Protagonist*in Ihres Films. Wie würden Sie Ihre Beziehung beschreiben?

Wir haben über die Jahre ein sehr starkes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Es war von Anfang an klar, worum es uns geht, und dadurch sind wir zusammengewachsen. Einer von ihnen meinte irgendwann mal: „Wir sind ein Team.“ Das war in der Form für dokumentarische Arbeiten schon sehr ungewöhnlich.

Was war der Anstoß für die Idee zu dem Film „Global Family“?

Film: „Global Family“: Dokumentarfilmsalon St. Pauli, Brigittenstraße 5, 20 Uhr

Die Idee hatten wir 2014, also schon lange vor der sogenannten Flüchtlingskrise. Damals wurde schon viel über Migration gesprochen, aber wir hatten das Gefühl, diese Diskussionen wurden nur aus „deutscher“ Sicht geführt. Wir wollten die Geflüchteten zu Wort kommen lassen und trotzdem über etwas sprechen, was alle Menschen betrifft, nämlich die Familie. Es geht darum, wie man als Familie lebt, wenn so viele Kilometer dazwischen liegen und konkret die Frage der Pflege von alten Verwandten verhandelt. Dieses Thema kann Familie Shaash nicht gemeinsam an einem Tisch diskutieren, sondern muss andere Mittel wählen.

Welche Rolle spielt der Begriff „Heimat“ in Ihrem Film?

Heimat spielt eine ganz große Rolle. Letztendlich hat nämlich jedes der Familienmitglieder eine gewisse Sehnsucht nach Heimat. In meinem Film erkennt man das an den verschiedenen Generationen: Vater Shaash, der von der Rückkehr nach Somalia, seinem Geburtsland, träumt. Seine Tochter, die mit drei Jahren nach Deutschland kam, hier aufwuchs, aber durch Erzählungen ihrer Eltern mit einem nostalgischen Blick auf Somalia schaut. Dann gibt es noch die Enkel, deren Zuhause ganz klar Deutschland ist. Letztlich wird dann jedoch die Familie für alle zum Inbegriff der Heimat, weil man eben nicht weiß, was territorial als Heimat gesehen werden kann.