… und abends in die Scala

Eine neue Gedenkstele erinnert an das Berliner Varietétheater „Scala“, kultureller Anziehungspunkt in den Goldenen 20er Jahren

Von Vanessa Prattes

Auf dem Schwarz-Weiß-Foto, das auf das Jahr 1929 datiert ist, stehen junge Frauen mit ineinander verschränkten Beinen in einer Reihe. Große weiße Federn schmücken ihre zylinderförmigen Hüte. Über ihnen ist in großen Leuchtbuchstaben „Scala“ zu lesen.

Die trostlose Häuserfront in Schöneberg lässt heute kaum mehr erahnen was sich vor rund 100 Jahren an diesem Ort abgespielt hat. An die „Scala“, eine der berühmtesten Varietébühnen der 20er Jahre, erinnert in der Martin-Luther-Straße 14 seit Neuestem eine transparente Gedenkstele mit Fotografien und begleitendem Text.

„An dem Ort, der von solcher kulturhistorischer Bedeutung ist, wollte ich einen Hinweis – welcher Art auch immer – anbringen“, sagt der Historiker Michael Wolffsohn, der sich über mehrere Jahre für eine solche Gedenktafel eingesetzt hat. Er ist Enkel des Kinopioniers und Scala-Mitbegründer Karl Wolffsohn.

Sein Großvater gründete 1919 mit überwiegend jüdischen Geschäftsleuten das Varietétheater und etablierte damit eine Hochburg des Vergnügens mitten in Berlin. In das schnell auch außerhalb der Grenzen Berlins bekannte Varieté strömten jeden Abend unter dem Motto „… und abends in die Scala“ zahlreiche Gäste und Künstler von internationalem Rang. Die A-cappella-Gruppe Comedian Harmonists zog mit parodistischem Witz an, Claire Waldoff, Schauspielerin, Kabarettistin und Chansonette, verzauberte das Publikum mit Schlagfertigkeit in Berliner Dialekt, und Clowns wie Charlie Rivel oder Grock lenkten die Besucher von ihren Alltagssorgen ab.

Mit einer Mischung aus Tanz, Theater, Zirkus und Amüsement verkörperte das Theater die „Goldenen zwanziger Jahre“. „Die Skala war kultureller Anziehungspunkt mit weltweiter Ausstrahlung“, betont Michael Wolffsohn.

Auf die Blütezeit folgte die Abwärtsspirale der „großen Depression“ infolge der Weltwirtschaftskrise und der alsbaldigen Machtergreifung Hitlers. Der Hauptkreditgeber, die Dresdner Bank, kündigte die Zusammenarbeit, und die Scala wurde „arisiert“, also von „Nichtjuden“ übernommen. Das Gebäude wurde im Krieg 1943 weitgehend zerstört. „Als Karl und mein Vater Max Wolffsohn von 1949 bis 1962 die Rückerstattung des zerstörten Gebäudes sowie des Grundstücks für alle Enteigneten einklagten, unterlagen sie in allen Instanzen, selbst am Bundesgerichtshof“, erinnert sich Michael Wolffsohn.

„Die Arisierungspolitik lief nicht im Stillen ab, sondern ganz öffentlich. Berliner Behörden waren an der Enteignung beteiligt und haben sich bereichert“, sagt Kultursenator Klaus Lederer, der sich für die Gedenktafel einsetzte. Er zeigt sich froh über das Anwachsen der jüdischen Gemeinde in Berlin und fordert, auch in Zukunft an die jüdische Geschichte zu erinnern.