die dritte meinung
: Die Löschverfahren bei Facebook und Co gehören unabhängig kontrolliert, sagt Christian Mihr

Christian Mihr

ist Geschäftsführer der Organisation Reporter ohne Grenzen, die sich weltweit für den Schutz der Informationsfreiheit einsetzt und gegen Zensur kämpft.

Facebook, Google und Twitter haben nun also erstmals ihre Transparenzberichte vorgelegt, die sie nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) halbjährlich veröffentlichen müssen. Sie teilen darin mit, wie viele Nutzer­inhal­te sie gelöscht haben, zum Beispiel weil sie nach Meinung der Netzwerke Straftatbestände wie Beleidigung oder Volksverhetzung erfüllen. Transparenz – das klingt nach Offenheit, Nachvollziehbarkeit, Kontrolle.

Tatsächlich sind wir durch die Zahlen nicht schlauer geworden. Was bringt uns die Information, dass Facebook in der ersten Hälfte des Jahres 886 Beschwerden auf Grundlage des NetzDG erhalten hat und 21 Prozent der gemeldeten Inhalte gelöscht hat? Weder wissen wir nun, ob Facebook „genug“ gelöscht hat, noch ob Facebook auch rechtmäßige Inhalte entfernt hat.

Dass die Netzwerke in den entscheidenden Fragen nicht für Aufklärung gesorgt haben, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Sie haben veröffentlicht, was das NetzDG von ihnen verlangt. In der Verantwortung steht die Bundesregierung, die das Löschgesetz mit diesen Vorgaben vor rund einem Jahr durch den Bundestag trieb. Allen voran der damalige Justizminister Heiko Maas wollte trotz großen Widerstands ein Zeichen setzen gegen die großen Internetkonzerne, die sich in der Tat zu lange ihrer Verantwortung entzogen haben. Der gefühlten Verrohung im Netz stellte Maas das NetzDG entgegen, mit dem die Betreiber ihre Plattformen „reinigen“ sollten.

Die Transparenzberichte zeigen vor allem: Die Konzerne agieren so intransparent wie eh und je. Sie löschen weltweit Millionen von Inhalten auf Basis ihrer eigenen Community-Standards. Sie entscheiden über die Zulässigkeit von Meinungsäußerungen nach ihren eigenen Regeln in ihren konzern­eigenen Löschverfahren. Offenheit, Nachvollziehbarkeit, Kontrolle? Fehlanzeige! Hier besteht der eigentliche Regulierungsbedarf, dessen sich die Bundesregierung annehmen muss – zum Beispiel, indem sie das NetzDG um eine unabhängige Kontrollinstanz der Löschverfahren ergänzt.