„Tür und Tor offen für eine Verzögerung“

„Mehr Demokratie“ kritisiert Senat, weil Prüfung des Volksbegehrens Videoüberwachung nach über vier Monaten nicht beendet ist

Von Stefan Alberti

Der Verein „Mehr Demokratie“ kritisiert den rot-rot-grünen Senat für seinen Umgang mit dem Volksbegehren Videoüberwachung. „Es wäre nicht die erste Initiative, wo die Prüfung aus taktischen Gründen hinausgezögert wird“, sagte Pressesprecherin Anne Dänner am Mittwoch der taz. Zuvor hatte die Innenverwaltung des Senats auf taz-Anfrage wie in den vergangenen Monaten mitgeteilt, man sei „noch im Prüfprozess“, ob das Volksbegehren rechtlich zulässig ist, und erst für den Spätsommer eine Entscheidung in Aussicht gestellt. Das Problem: Im Gesetz ist nicht vorgeschrieben, wie lange die Prüfung dauern darf. „Die fehlende Frist öffnet Tür und Tor für eine Verzögerung“, sagte Dänner.

Am 19. Februar hatte die Initiative für Videoüberwachung mit dem Namen „Sicherheit in Berlin“ über 25.000 Unterstützerunterschriften eingereicht. Am 21. März erklärte die Innenverwaltung davon 21.028 für gültig, nötig sind 20.000. Seither läuft dort die Prüfung, ob das Begehren mit anderen Rechtsvorschriften vereinbar ist. Ist die Antwort „Nein“, geht der Fall zum Verfassungsgericht.

Schon Mitte Juni warf CDU-Fraktionschef Burkard Dregger der von Senator Andreas Geisel (SPD) geführten Behörde „eine ganz klare miese Verzögerungstaktik“ vor. Die Innenverwaltung wehrte sich damals, man verzögere nichts, sondern prüfe „seriös und belastbar“. Ähnlich fällt die Antwort jetzt aus, sechs Wochen später: „Die Prüfung ist Teil eines komplexen Prozesses, der seine Zeit braucht, wenn er seriös und belastbar sein soll.“

„Dehnung des Gesetzes“

Der Verein „Mehr Demokratie“, der selbst an einem gescheiterten Volksbegehren beteiligt war, fordert zum einen feste Fristen, zum anderen, Volksentscheide verbindlich auf Wahltage zu legen, um eine höhere Beteiligung zu erreichen. Dann gäbe es auch keinen politischen Anreiz mehr, den Fortgang eines Volksbegehrens so zu verzögern, dass der nächste Wahltag verpasst wird und ein Volksentscheid allein aus mangelnder Beteiligung scheitert.

Thomas Heilmann, CDU-Bundestagsabgeordneter und mit Exbezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) das Gesicht der Initiatoren von „Sicherheit in Berlin“, sieht in der langen Prüfung eine „extreme Dehnung des Gesetzes“. Das gilt für ihn umso mehr, als SPD, Linkspartei und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag Anderes versprechen. Dort steht unter der Überschrift „Mehr direkte Demokratie für Berlin“: „Die Koalition will nicht nur das Zusammenspiel von direkter und repräsentativer Demokratie verbessern, sondern auch Verbindlichkeit und Transparenz des Verfahrens erhöhen“.

Gerade Letzteres sieht Heilmann nicht erfüllt: „Es ist schwer begreiflich zu machen, dass die Prüfung so lange dauert“. Er sitze zwar nicht in der Innenverwaltung, aber: „Von außen betrachtet sieht das politisch motiviert aus.“ Laut Heilmann ist durch die lange Prüfung ein Volksentscheid parallel zur Europawahl am 26. Mai 2019 fast ausgeschlossen. Damit es überhaupt zu einem solchen Entscheid kommt, müsste die Initiative rund 175.000 gültige Unterschriften sammeln.