Staffelweise Erfolg im Wasser

Alle schwimmen schneller als der DSV: Doch Henning Lambertz ist angetreten, daran etwas zu ändern

Aus Glasgow Andreas Morbach

Seine geheimen Lieblinge hat Henning Lambertz schon vor dem ersten Startschuss im Tollcross International Swimming Centre von Glasgow ausgemacht. Staffeln sind beim Chefbundestrainer und im DSV en vogue – die ansonsten harten Qualifikationsnormen für die EM wurden Ende letzten Jahres eigens gesenkt. Bei den Bahnwettbewerben in Schottland sollen wegen der umfangreichen Berichterstattung von ARD und ZDF möglichst viele deutsche Staffeln in den Finals antreten. „Wir wollen sicherstellen, dass wir am Nachmittag, wenn irgend möglich, immer vertreten sind“, erwähnt Lambertz gegenüber dieser Zeitung. „Und das sollte uns hoffentlich, mit sehr vielen Staffeln, auch gelingen.“

Besonders reizvoll findet es der 47-Jährige, wenn Männlein und Weiblein im Wasser gemeinsam an einem Strang ziehen. Heute legen die Schwimmer im Stadtteil Tollcross mit ihren Rennen los, am Samstag steht – über 4 x 200 Meter Freistil – dann die erste von drei Entscheidungen mit gemischten Staffeln an. Zur Freude des Bundestrainers, der betont: „Gerade diese Lagen- oder Kraul-Mixed-Staffeln haben einen sehr spannenden Charakter. Weil die einen mit einem Mann anfangen, die anderen mit einer Frau – und die Frage aufkommt: Holt der Mann die Frau noch ein? Da gibt es eine schöne Dynamik, die wollen wir ausnutzen – und sie dem Fernsehzuschauer präsentieren.“

Als besondere Herausforderung warten auch in dieser Kategorie die Schwimmerinnen und Schwimmer aus dem Vereinigten Königreich. Im August 2014, vor der Heim-EM in Berlin, ortete Lambertz noch Russlands Bahnenzieher an der europäischen Spitze, sah die Briten aber bereits zur Wachablösung fliegen – und fühlt sich vor den Titelkämpfen nun bestätigt: „Großbritannien ist für mich aktuell ganz klar auf Platz eins in Europa, mit großem Abstand. Das ist im Moment die Nation, auf die wir schauen müssen, wenn wir den Kontakt halten wollen.“

Von seinem ambitionierten Plan, mittelfristig wieder die Nummer eins in Europa zu werden, ist Deutschlands Schwimmer-Häuptling längst abgerückt – angesichts der vielen offenen Baustellen und Rio 2016 als zweitem medaillenlosen Olympia-Auftritt in Folge. Eine Prognose darüber, wie viel Edelmetall sein Team aus dem EM-Pool angeln könnte, verkneift sich Lambertz: „Ein bisschen was an Potenzial ist schon da. Kommen wir mit einer guten EM da raus, könnten wir in der Nationenwertung den Schritt unter die Top fünf machen.“

Neben den Briten sieht der Chefcoach die Ungarn ein Stück voraus, auch die zuletzt starke nationale Meisterschaft der Italiener ist ihm nicht entgangen. „Aber dahinter“, sagt er, „ist ein bisschen Freiraum für uns.“ Wobei der gebürtige Neusser vor allem auf überzeugende Leistungen in der Mannschaft hofft.

„Man sollte aus meiner Sicht nicht den Fehler machen, eine Person mit einem ganzen Land zu vergleichen und nur den Maßstab Goldmedaillen anlegen“, betont Lambertz mit Blick auf Ausnahmeathletinnen wie die Schwedin Sarah Sjöström oder die Ungarin Katinka Hosszu. Während es für den DSV primär darum geht, zwei Jahre vor den Spielen in Tokio wieder etwas Selbstvertrauen zu tanken.

„Die Schwimmer stehen insofern im Fokus, als dass es eine sehr große Sportart mit vielen Disziplinen und das Ergebnis bei Olympia noch nicht befriedigend ist. Weil es uns trotz der vielen Chancen zuletzt nicht gelungen ist, im Beckenschwimmen Medaillen zu holen“, moniert DOSB-Leistungssportdirektor Dirk Schimmelpfennig und macht deutlich: „Da schaut man natürlich auf solche Events wie jetzt in Glasgow – um zu sehen, ob es neue Entwicklungen und Tendenzen gibt, die darauf hinweisen, dass wir bei den nächsten Olympischen Spielen bessere Erfolgsaussichten haben.“

Ein bisschen Edelmetall durch Vorzeigekräfte wie Philip Heintz, Sarah Köhler, Franziska Hentke oder Florian Wellbrock darf es also schon sein.