Personalwechsel Wuppertaler Tanztheater: Ruhestörung vermeiden

Der Intendantin Adolphe Binder wurde gekündigt. Hinter den Kulissen schwelte schon länger ein Konflikt. Auch die Medien spielen darin eine Rolle.

Porträt Adolphe Binder

Adolphe Binder hat nicht genug Zeit bekommen, eine schwierige Aufgabe erfolgreich zu meistern Foto: dpa

Die Pressemitteilung kam am Abend des 13. Juli aus dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. In einer Sondersitzung hat der Beirat des Tanztheaters Wuppertal am Freitag entschlossen, sich von der Intendantin Adolphe Binder, die das Ensemble von Pina Bausch erst seit einem Jahr leitet, zu trennen.

Angefügt ist eine Stellungnahme der Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen mit ermahnenden Worten an die Stadt Wuppertal – „Ich erwarte, dass sich die Stadt mit aller Kraft für eine gute Zukunft des Ensembles einsetzt“ – und einer Stellungnahme des Beirats. Aus der erfährt man, dass auch der Geschäftsführer Dirk Hesse, der Binders Kündigung beantragt hatte, gegen Ende des Jahres zurücktritt. Zuvor ist er noch beauftragt, bis September einen Spielplan vorzulegen.

Die Pressemitteilung ist ein strenges und deprimierendes Papier. Sie verliert kein Wort über die Art des Konflikts zwischen dem Geschäftsführer Dirk Hesse und der Intendantin Adolphe Binder und versucht keine Aufklärung. Sie geht nicht auf die Vorwürfe gegen Binder ein und nicht auf die Entkräftigung einiger Vorwürfe durch Mitglieder des Ensembles. Dass der Konflikt nicht weiter nach außen getragen und der Ruf des Tanztheaters Wuppertal nicht weiter beschädigt wird, scheint die Maxime des Handels und der Entscheidung gegen Adolphe Binder zu sein.

Leidtragende sind die TänzerInnen des Ensembles, von denen einige schon seit Jahrzehnten dabei sind und noch mit Pina Bausch getanzt haben, andere erst nach deren Tod vor neun Jahren dazu kamen. Seitdem haben sie es geschafft, deren Repertoire glanzvoll lebendig zu halten und in Wuppertal und weltweit zu spielen. Lange war aber kein neues Stück mehr hinzugekommen.

Am Samstag nach ihrer Kündigung hat sich Adolphe Binder in einem offenen Brief gewehrt und die Vorwürfe unhaltbar genannt. Sie kündigte an, gegen die Kündigung arbeitsrechtlich vorzugehen.

In ihrem Brief skizziert sie erreichte Erfolge der letzten Spielzeit und ihre Pläne für die kommende. Sie habe von Anfang Kritik geübt an der Struktur, die sie als Intendantin unter den Geschäftsführer stellte, und eine Veränderung gefordert. Der Geschäftsführer Dirk Hesse habe sie nicht als Leitung akzeptiert und nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen.

Dass dies auf Dauer nicht das einzige Programm bleiben durfte und das Wuppertaler Tanztheater sich gegen Musealisierung wappnen muss, war seit langem klar. Die Veränderung ist heikel, sie bedeutet praktisch Umbauarbeiten am Sockel eines Denkmals. 2016 war man froh, dafür die Kulturmanagerin Adolphe Binder gewonnen zu haben.

Schon lange schwelte ein Konflikt mit der Leitung

Adolphe Binder hatte zuvor die Göteborger Danskompani geleitet und mit Stücken von Sidi Larbi Cherkaoui, Sasha Waltz oder Saburo Teshigawara international wieder sichtbar gemacht. In ihrer ersten Spielzeit in Wuppertal brachte sie zwei neue Premieren heraus von den Choreografen Dimitris Papaioannou und Alan Lucien Oyen, ein moderater Übergang von Vertrautem zu anderen Erzählweisen. Das schien zwar noch nicht glänzend, aber so weit, so gut. Doch Anfang Juni wurde offenbar, dass zwischen ihr und dem Geschäftsführer Dirk Hesse wohl schon lange ein Konflikt schwelte.

Adolphe Binder und das Ensemble befanden sich auf Gastspielreise in Paris, als in der FAZ ein Text erschien mit massiven Vorwürfen gegen die Intendantin. Die Autorin, Wiebke Hüster, hatte zuvor schon die Inszenierung von Dimitris Papaioannou mit sehr unfairen Worten kritisiert. Sie schien durch gute Kontakte zur Geschäftsführung des Wuppertaler Tanztheater schon zu wissen, mit welchen Argumenten Dirk Hesse beim Beirat auf deren Kündigung drängte.

Das Wuppertaler Tanztheater muss sich gegen Musealisierung wappnen. Die Veränderung ist heikel, sie bedeutet praktisch Umbauarbeiten am Sockel eines Denkmals

Die langjährige Pina Bausch-Tänzerin Nazareth Pandero erzählte daraufhin im Deutschlandfunk Kultur vom Erschrecken über diese Nachricht, hatte sie doch die erste Spielzeit mit der neuen Intendantin als vertrauensvollen Neuanfang erlebt. Ein zweiter Tänzer, Michael Strecker, redete mit der Wuppertaler Rundschau und entkräftete ebenfalls den Teil der Vorwürfe, der die Zusammenarbeit mit den Tänzern betraf.

Ein anderer Vorwurf betraf den Spielplan. Binder wird vorgehalten, dass sie keinen Spielplan für 2018/19 vorgelegt habe, den die Geschäftsführung genehmigungsfähig fände, und dass sie noch keine neuen Choreografen für die nächste Spielzeit genannt habe. Das schafft natürlich Verunsicherung. Nun, nach ihrer Entlassung, kann sich die Geschäftsführung ihren Spielplan selbst bauen und genehmigen.

Das sieht doch so aus, als sei Adolphe Binder ein Opfer des Wunsches von Beirat, der Stadt Wuppertal und des Landes Nordrhein-Westfalen geworden, vor allem Ruhestörung zu vermeiden. Man hat ihr kaum Zeit gegeben, die nicht einfache Aufgabe zu bewältigen, einen Übergang von der Ikone Pina Bausch zu neuen Anfängen zu moderieren. Der Posten ist jetzt wieder zu vergeben.

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