Fairer Handel: Wachstum im Schneckentempo

Im vergangenen Jahr haben KonsumentInnen nur rund 18 Euro für fair gehandelte Produkte ausgegeben. Das Angebot muss wachsen, damit sich das ändert.

ein verschwommenes Supermarktregal, im Vordergrund eine Tüte mir Fairtrade-Siegel

Noch ist das Angebot klein: Längst nicht alles in den Regalen ist „Fairtrade“ Foto: dpa

BERLIN taz | Die gute Nachricht: Der Handel mit fairen Produkten ist im vergangenen Jahr in Deutschland um 13 Prozent auf fast 1,5 Milliarden Euro gestiegen. Die schlechte: 50 Jahre nach dem Einstieg hat der faire Handel in der Bundesrepublik noch nicht einmal einen Marktanteil von 1 Prozent am Gesamthandel.

Verantwortlich dafür ist nicht nur die Geiz-ist-geil-Mentalität der VerbraucherInnen. „Das Angebot im Einzelhandel muss breiter werden“, sagt Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forums Fairer Handel. Die Verband kämpft für gerechtere Regeln in Handel und Landwirtschaft. Ihm gehören unter anderem BanaFair, Gepa, Naturland und der Weltladen-Dachverband an.

Ganze 18 Euro haben die Bundesbürger dem Verband zufolge im vergangenen Jahr für fair gehandelte Waren ausgegeben, immerhin 2 Euro mehr als im Vorjahr. Bei den als fair gekennzeichneten Produkten stellen Handelsorganisationen sicher, dass ArbeiterInnen und ProduzentInnen gerecht bezahlt, Arbeits- und Menschenrechte eingehalten werden und die Geschäftsbeziehungen stabil sind. Fair gehandelte Bananen sind immer auch in Bio-Qualität, bei anderen Produkten ist das nicht unbedingt der Fall.

80 Prozent der fair gehandelten Waren sind Lebensmittel. Der Bestseller unter den Produkten ist Kaffee. Auf ihn entfallen 34,3 Prozent des Gesamtumsatzes. Doch auch hier ist der Anteil am Gesamtumsatz mit 4,8 Prozent gering. Die ProduzentInnen leiden unter dem Klimawandel. Unerwartete Niederschläge erschweren den Anbau und schmälern die Ernte. Faire GeschäftspartnerInnen arbeiten mit Genossenschaften zusammen, die KleinbäuerInnen schützen und sie finanzieren bei Bedarf auch eine Ernte vor.

Interessierte können faire Produkte bei 800 Fachhändlern, den sogenannten Welthändlern, oder in fast jedem Supermarkt oder Discounter kaufen. Zu erkennen sind die Waren, die unter sozialen Bedingungen hergestellt und deren ProduzentInnen vernünftig bezahlt wurden, an speziellen Marken wie BanaFair, dwp, El Puente, Gepa oder Globo. Außerdem vergeben Organisationen Siegel und Label für ausgewählte Produkte, deren Herstellung genau geprüft wurde. Dazu gehören Fairtrade, Fair for Life, Naturland Fair oder die World Fair Trade Organisation.

Nach Kaffee haben Südfrüchte, Textilien, Blumen und Eiscreme einen großen Anteil an fairen Handelsprodukten. „Sahne und Milch werden nicht fair gehandelt, aber Zusatzstoffe zu Eis wie Schokolade, Zucker und Nüsse“, sagt Manuel Blondin, Geschäftsführer des Forums Fairer Handel.

Bei Südfrüchten geht das Umsatzplus vor allem auf den größeren Vertrieb über Discounter, betont er. In der Schweiz sind faire Produkte im Einzelhandel weitaus verbreiteter als in Deutschland. Dort haben Ketten ganze Produktpaletten umgestellt. Die Schweizer Bürger kauften 2016 faire Produkte für 56 Euro im Jahr.

Am Misstrauen der Kunden gegenüber Marken und Siegeln für fairen Handel liege die Zurückhaltung nicht, sagt Blondin. Eine Verbraucherbefragung habe ergeben, dass 86 Prozent der Kunden den Siegeln vertrauen. Allerdings müssten sie auch die Gelegenheit haben, solche Waren zu kaufen. Um den Umsatz fairer Produkte zu erhöhen, müsse das Angebot im Einzelhandel größer werden, fordert der Handelsexperte.

In der Schweiz haben Einzelhändler ganze Produktpaletten umgestellt

Nur auf Freiwilligkeit zu setzen, reiche aber nicht. „Wir brauchen auch gesetzliche Regelungen.“ Zum Beispiel wie in Frankreich: Dort hat die Nationalversammlung im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet, wonach große Unternehmen ökologische und menschenrechtliche Risiken ihrer globalen Geschäfte identifizieren und verhindern müssen und bei Verstößen gegenüber Betroffenen haften.

Für die Entwicklungsorganisation Oxfam ist fairer Handel ein wichtiges Alternativmodell, dass KleinbäuerInnen hilft. „Verbraucher haben kaum eine andere Möglichkeit, sie zu unterstützen“, sagt Franziska Humbert von Oxfam. Fairer Handel sei aber kein Allheilmittel. Einzelhändler müssten grundsätzlich ihre Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten prüfen, sagt auch sie. Die Organisationen Oxfam, Amnesty International, Brot für die Welt und Germanwatch haben bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, wie das aussehen könnte.

Der deutsche Handelsverband weist den Vorwurf zurück, dass der Einzelhandel nicht genug faire Produkte anbietet. „Die Einzelhändler haben die Produkte erst aus der Nische geholt“, sagte ein Sprecher der taz. Es sei allerdings noch „viel Luft nach oben“. Für den im Vergleich zu anderen Ländern geringen Marktanteil seien die hohe Preissensibilität der Kunden und die harten Wettbewerbsbedingungen im Einzelhandel verantwortlich. „Die Händler arbeiten daran, den Anteil der fairen Produkte auszubauen.“

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