Hashtag #KunstGeschichteAlsBrotbelag: Die Kunst ist eine Scheibe Brot

Bloggerin Marie Sophie Hingst legt Tomaten und Käse auf eine Scheibe Brot – und startet einen wunderbar kunstvollen Onlinetrend.

„Auf eine Stulle mit Piet Mondrian“: Der Urtyp für sämtliche #KunstGeschichteAlsBrotBelag Foto: Fräulein Read On

BERLIN taz | Der Apologeten der reinen Lehre müssen jetzt ganz tapfer sein. Die große Kunst ist herabgestiegen von den heiligen Wänden der Museen und angekommen auf einem Brot.

Ja schlimmer noch, auf Brot und auf Twitter, diesem virtuellen Mischkanal für wildes Gemeine und gemein Profanes. Kein Wunder, dass einige Kunstkenner den neusten Twittertrend einfach nur stulle finde. Doch die meisten, die #KunstgeschichteAlsBrotbelag entdeckt haben, sind danach einfach nur gut drauf.

Losgetreten hat das ganze die Bloggerin Marie Sophie Hingst, die am Mittwoch ein Foto von einer Brotscheibe twitterte und auch bei Instagram teilte. Belegt mit etwas Tomate, Käse und ein paar Beeren nannte sie die Scheibe „Auf eine Stulle mit Piet Mondrian“ – und schuf den Hashtag dazu, der seither abgeht wie geschnitten Brot.

Das Foto selbst kann kaum der Ausschlag für das enorme Echo auf Twitter gewesen sein. Denn man braucht schon einige Fantasie, in dieser Brotbelegung eine Analogie zum Werk des niederländischen Klassikers der klassischen Moderne zu erkennen.

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Ausschlaggebender dürfte gewesen sein, dass Marie Sophie Hingst in diesem Internet nicht irgendwer ist, sondern sich als Fräulein Read On auf Twitter, als mademoisellereadon auf Instagram und als Bloggerin reodonmydear so sehr einen Namen gemacht hat, dass sie Anfang des Jahres sogar als Bloggerin des Jahres ausgezeichnet wurde.

Jedenfalls setzte Hingst einen virtuellen Wettbewerb in Gang, dessen Ergebnisse das Urbrot längst in künstlerischer Klasse, Perfektion, aber auch spielerischer Leichtigkeit bei weitem übertreffen.

Da werden Paul Klees „Zeichen in Gelb“ aus Käse nachgelegt. Da kommt Leonardo da Vinci ganz neu zur Geltung. Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen“ werden mit Käse und Basilikum neu interpretiert. Mit dem Surrealisten Dalí geht das Brot in die dritte Dimension. Bei Henri Matisse tanzen die Paprikascheiben auf ein paar Gurken.

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Michelangelo, Dürer und Keith Haring dürfen natürlich ebenso wenig fehlen, wie der Verpackungskünstler Christo, von dem man fortan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen darf, dass er die Inspiration für seine Werke am Frühstückstisch bekam.

Beim Schrei von Edvard Munch wird klar, dass selbst der Künstler eine Scheibe Weißbrot vor Augen gehabt haben muss. Natürlich bekommt auch Joseph Beuys sein Fett weg.

Selbst Volkskünstler Bob Ross, der als Fernsehmaler in den 80er Jahren zum bis heute gern viral verbreiteten Kultobjekt wurde, wird nun mit einem Brotwerk geadelt. Das ist sowas von meta, das muss eindeutig große Kunst sein.

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Wer immer noch Zweifel haben sollte, ob diese profane Annäherung an die Meisterwerke der bildenden Kunst den Werken selbst gerecht werden kann, sollte sich vergegenwärtigen, dass die Kunst schon seit Jahrhunderten alles andere als brotlos ist.

So gilt das bereits 1568 von Pieter Bruegel dem Älteren geschaffene Gemälde “Die Bauernhochzeit“, als erstes Butterbrot-Bild überhaupt, da es am unteren Rand ein an einer Stulle kauendes Kind zeigt.

Über die Jahrhunderte blieb der Brotlaib ein beliebtes Motiv, zu entdecken etwa bei Paul Cezannes „Stilleben mit Brot und Eiern“. Es wurde von dem bereits erwähnten Joseph Beuys in „Zwei Fräulein mit leuchtendem Brot“ abstrakt bedichtet und von Max Goldt mit seiner Band Foyer des Arts sogar in seiner schimmligen Form besungen.

Die Inspiration für den neusten Kunsttrend lieferte ursprünglich gar aber nicht das Brot, sondern Obst und Gemüse. „Bekanntlich bekomme ich immer am Mittwoch eine Biokiste mit Obst, Gemüse und Käse, nebst zwei Flaschen Milch“, schreibt Marie Sophie Hingst auf ihrem Blog. „So bunt sind die Biokisten im Sommer, so vielfältig und so schwer ist es sich zu entscheiden, was man den auf dem Brot haben mag.“

Beim Schneiden der Zutaten sei ihr dann Piet Mondrian eingefallen. Der Rest ist längst Kunstgeschichte. Das Schöne daran sei, so Hingst, „es gibt so viele Menschen, die auch Lust haben ihr Brot mit Kunst zu belegen.“

Denn Brot ist wie eine Leinwand. Eine Herausforderung für den Künstler, bei der selbst das Scheitern zum Werk werden kann. Und wer damit nicht zufrieden ist, kann es ja immer noch einfach aufessen.

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