Voßkuhle-Äußerung zu CSU und Asyl: Die völlig korrekte Ausdrucksweise

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts als Sprachpolizist – ist das angemessen? Unbedingt. Aber das ist gar nicht die entscheidende Frage.

Ein Mann fässt sich an seinen Hut

Hält nichts von Asyl-Polemik á la CSU: Andreas Voßkuhle Foto: dpa

Deutschland hat einen neuen Sprachpolizisten: Andreas Voßkuhle. Eigentlich achtet der Präsident des Bundesverfassungsgerichts darauf, dass das Grundgesetz korrekt angewendet wird. Jetzt achtet er auch auf korrekte Ausdrucksweise. Verbalauswüchse wie „Herrschaft des Unrechts“ und „Anti-Abschiebe-Industrie“, findet Voßkuhle „inakzeptabel“ und „kontraproduktiv“. Eine solche Rhetorik, sagte er in einem Interview zu Populismus, politischer Korrektheit und Flüchtlingspolitik in der Süddeutschen Zeitung, „möchte Assoziationen zum NS-Unrechtsstaat wecken, die völlig abwegig sind“.

Damit begibt sich Voßkuhle auf ein fremdes Terrain: Kommunikationswissenschaft. Das ist nicht üblich für einen Mann in diesem Amt. Aber egal, es ist richtig. Denn Voßkuhle weist die rechten Außenseiter von AfD, CSU und andere populistische Hetzer in ihre Schranken und spricht aus, was viele De­mo­krat*innen denken: Kann das endlich mal aufhören mit all den rhetorischen Entgleisungen, unreflektierten Verbalkeulen und Beleidigungen? Er versucht, diese überhitzte und zu weiten Teilen inhumane Kommunikationskultur zurückführen in eine angemessene, ernsthafte Auseinandersetzung um ein globales Problem.

Die radikalpopulistischen An­griffe haben ein konkretes Ziel: die Verschiebung des Diskurses zu Migration, Asyl und Einwanderung nach rechts. Das, was noch vor wenigen Jahren unsagbar war, ist mittlerweile tief in so manche Sprachregelung der Mitte vorgedrungen. Während bis vor Kurzem niemand gewagt hätte, Formulierungen wie „Asyltourismus“ für Migration und Integration zu verwenden, schon gar nicht als mit öffentlichen Ämtern betrauter Politiker, scheute Bayerns Ministerpräsident Markus Söder davor nicht zurück. Der Shitstorm ließ zwar nicht lange auf sich warten. Doch gesagt ist gesagt. Und das Wort bleibt in den Köpfen der Menschen hängen und suggeriert: Wenn das ein Mann wie Söder sagt, kann es so falsch nicht sein. Und hey: Reisen wir nicht alle gern?

Die verbale Kombination von Flucht und Vertreibung mit positiv konnotierten Alltagsvokabeln verändert nicht nur die kognitive Wahrnehmung, sondern auch den politischen Diskurs. Man muss nur scharf genug formulieren, dann regen sich zwar zunächst alle auf, aber das Gesagte nistet sich im alltäglichen Sprachgebrauch ein, wird rasch als normal empfunden und verliert dadurch seinen Schrecken.

Für die Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund ist das eine Katas­tro­phe. Die verhärteten Debatten sorgen dafür, dass sich der Blick der Mehrheitsgesellschaft auf Menschen in Not verändert und sich Vorurteile verschärfen. Da glauben plötzlich nicht wenige „Biodeutsche“, Frauen aus Eritrea, Irak, Syrien bekämen in Deutschland „ein Kind nach dem anderen“, weil sie damit ihre Chancen auf ein Bleiberecht erhöhten.

Kann das endlich mal aufhören mit all den rhetorischen Entgleisungen, Verbalkeulen und Beleidigungen?

Argumente, Kinder seien mitnichten ein Garant für Asyl in Deutschland und Frauen aus muslimischen Ländern bekämen ohnehin mehr Kinder als europäische Frauen, verhallen häufig ungehört. Stattdessen schraubt sich die verbale Rechtsaußenspirale hoch und höher und mündet in Äußerungen wie der von AfD-Chefin Alice Weidel „Kopftuchmädchen, Messermännern und anderen Taugenichtsen“.

Das muss nicht so bleiben. Sprache ist ein offenes System, das sich jederzeit verändern lässt. Rechtspopulistische Sprachfetzen können auch wieder eliminiert werden. Genau das hat Voßkuhle indirekt angeregt. Aber Sprache bleibt Sprache, und An­dreas Voßkuhle dann doch „nur“ einer der obersten Richter dieses Landes. Die politische Verantwortung für eine menschliche Gesellschaft tragen insbesondere die politischen Ent­schei­de­r*innen dieses Landes. Darunter allerdings auch jene Politiker*innen, die die rechtspopulistische Propagandamaschine für ihre Ziele hervorragend zu bedienen wissen – darin liegt ein absurder wie tragischer Widerspruch.

Manchmal aber kommt es anders als man denkt. Mit seinem Angriff auf die 68er als „links-rot-grün-verseucht“ wollte AfD-Mann Jörg Meuthen jene Linke verunglimpfen, die der AfD-Mann verachtet. Herausgekommen indes ist ein Kultbegriff. „linksgrünversifft“ ist mittlerweile so etwas wie ein Adels­titel für Menschen mit Gewissen.

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