Billigflieger bleiben am Boden

Am Freitag streiken erstmals auch in Deutschland Pilot*innen von Ryanair. Die irische Fluglinie hat 250 Flüge abgesagt – und beharrt auf ihrem Geschäftsmodell

Streik mit Folgen: In anderen Ländern sind Ryanair-Mitarbei­ter*innen bereits im Ausstand. Im spanischen Valencia warten Ende Juli die Passagiere auf Infos nach dem Flugausfall Foto: Heino Kalis/reuters

Von Hannes Koch

Am kommenden Wochenende gehen in Sachsen und Thüringen die Schulferien zu Ende. Zahlreiche Urlauber*innen wollen zurück nach Hause fliegen. Für viele allerdings wird das nicht ohne Komplikationen klappen. Denn am Freitag sollen die in Deutschland stationierten Pilot*innen der irischen Billigfluglinie Ryanair streiken – zum ersten Mal. Dazu hat sie die Vereinigung Cockpit am Mittwoch aufgerufen.

Der Streik wird 24 Stunden dauern. Er beginnt am Freitagmorgen um drei Uhr nachts. Wie viele Pilot*innen mitmachen, ist unklar. Die Unterstützung der bundesdeutschen Flugzeug-Kapitän*innen bei der Urabstimmung von Cockpit war aber offenbar groß. Nach Angaben der Gewerkschaft sprachen sich 96 Prozent der rund 400 Flieger für den Streik aus. 250 Flüge von und nach Deutschland hat Ryan­air nun abgesagt.

Die in Irland beheimatete Firma hat Maschinen auf zehn bundesdeutschen Flughäfen stationiert, darunter Frankfurt/Main, Berlin und Hahn. Insgesamt werden hierzulande 19 Städte angeflogen. Nicht nur in Deutschland bleiben am 10. August Ryanair-Maschinen am Boden. Gestreikt wird auch in Belgien, Schweden, Irland, eventuell den Niederlanden. Deshalb wurden weitere 146 von rund 2.400 geplanten Flügen innerhalb Europas abgesagt.

Ryanair erklärte, betroffene Kund*innen noch am Mittwoch per E-Mail oder SMS zu kontaktieren und über ihre Optionen aufzuklären: „eine Rückerstattung, eine kostenlose Umbuchung auf den nächsten verfügbaren Flug oder einen vergleichbaren Ersatzflug“. Ab Samstag werde wieder normal geflogen. Entschädigungen, die über den Flugpreis hinausgehen, zahlt das Unternehmen nicht.

Die Vertretungen der Beschäftigten und die Firma verhandeln seit Monaten. Während die Gewerkschaften in mehreren Staaten europaweite Tarifvereinbarungen für Bezahlung, Urlaub und Arbeitsbedingungen der Pilot*innen und Flugbegleiter*innen durchsetzen wollen, versucht Ryan­air, solche Verträge möglichst lange hinauszuzögern. Ohne festgelegte Rahmenbedingungen kann die Fluglinie ihre Beschäftigten so einstufen, wie es ihr passt. Das ist ein Mittel, um Gehälter und Kosten niedrig zu halten und die Flugtickets billiger anzubieten als die Konkurrenz. Erst 2017 erklärte sich die Airline bereit, Gewerkschaften anzuerkennen.

Laut Cockpit liegt das durchschnittliche Grundgehalt von Ryan­air-­Pilo­t*innen bei rund 77.000 Euro brutto jährlich, etwa 6.400 monatlich. Vergleichbare Fluggesellschaften wie Eurowings und Tuifly zahlten dagegen mindestens 100.000 Euro pro Jahr, etwa 8.300 Euro pro Monat. Kopilot*innen erhielten bei Ryanair beispielsweise 40.000 Euro jährlich, bei Eurowings dagegen 57.000 Euro Grundgehalt. Die Gewerkschaft legt Wert auf die Feststellung, dass sie nicht in einem Schritt eine derartige Gehaltserhöhung verlange. Man wolle sich aber „in die Richtung“ einer Bezahlung bewegen, die auch bei anderen Unternehmen üblich sei.

Ryanair müsse sich vom bisherigen Umgang mit dem Personal verabschieden, sagte Cockpit-Vizechef Markus Wahl am Mittwoch in Frankfurt: „Sie machen jedes Jahr Milliardengewinne, und das Durchschnitts­ticket kostet um die 40 Euro. Irgendwer muss dafür bezahlen. Das Personal wird es nicht mehr tun.“ Ryanair veröffentlicht andere Zahlen als Cockpit. Demnach verdient ein Flugkapitän in Deutschland beispielsweise 16.600 Euro monatlich, etwa 190.000 pro Jahr. Die Gewerkschaft bezweifelt das. Er kenne keinen Ryanair-Piloten oder -Pilotinnen mit einem so hohen Gehalt, so Cockpit-Sprecher Janis Schmitt.

Janis Schmitt, Cockpit

Die Fluglinie hält den Streik für unnötig, weil man Cockpit vor wenigen Tagen ein verbessertes Angebot gemacht habe. Der Leiter des operativen Geschäfts, Peter Bellew, stellte am Mittwoch klar: „Wir werden unser Geschäftsmodell nicht aufgeben.“ Ryanair sei eine Billigfluggesellschaft und werde nie die Konditionen von Lufthansa bieten – weder bei Ticketpreisen noch bei Löhnen.

Um wirksamer verhandeln zu können, haben die Pilot*innen eine internationale Koordinationsstelle gegründet, die Ryan­air Transnational Pilot Group (RTPG). Diese will eine Rahmenvereinbarung durchsetzen. Ein wichtige Forderung: dass die Flugzeugführer*innen direkt bei Ryan­air angestellt werden. Heute haben viele von ihnen Arbeitsverträge mit Drittfirmen, werden also quasi an die Fluglinie ausgeliehen. So hält Ryanair die Lohnkosten niedrig.

Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Cockpit droht mit weiteren Streiks, wenn Ryanair nicht kompromissbereit sei. In Irland hat das Unternehmen der dortigen Gewerkschaft angekündigt, 20 Prozent der Flotte samt 300 Arbeitsplätzen nach Polen zu verlegen. Für Deutschland schließt die Linie ein solchen Schritt bisher aus.