Festivals in Berlin: Das Hawaiihemd bleibt im Schrank

Donna Summer im Sommer – das wär's doch. In Berlin aber hat man es in der heißen Jahreszeit bei den Festivals musikalisch gern experimentell.

Disco-Königin Donna Summer

Als sie und damit Disco noch lebte: Donna Summer bei einem Auftritt 2009 in Oslo Foto: dpa

Es ist Sommer. Es ist heiß. Es ist die Zeit der Festivals. Wo man gerade hinschaut, überall findet sich derzeit so ein musikalischer Festreigen. Als Faustformel darf gelten, dass der Sommer dabei zwar gern als Termin wahrgenommen, er selbst aber gar nicht zum Thema gemacht wird.

Dabei könnte man sich doch ein sommerliches Festival, einfach mal nach Namen sortiert, prima mit so einem Line-up vorstellen: Donna Summer singt schwüle Disco, Canned Heat kochen hitzig den Boogie und Blues auf. Headliner aber müsste – angesichts der diesjährigen sommerlichen Temperaturen – unbedingt Ich schwitze nie sein, das so seltsame wie schrullige Berliner Chanson-Trio um den Schauspieler und Musiker Lars Rudolph.

Nun ist aber Donna Summer doch schon einige Jahre tot und auch Ich schwitze nie müsste erst mal reaktiviert werden als Band (Canned Heat aber sind noch alive and kicking). Alternativ dürfte es deswegen auch ein Festival sein, bei dem mal all die Sommerhits gespielt werden, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben. Muss ja nicht gleich der aktuelle sein, also dieser mitklatschfreudige Remix von „Bella Ciao“, mit dem man angeblich erst richtig in Urlaubsstimmung kommen soll. Tja, „Bella Ciao“, tschüss Schöne, dieses traurige Abschiedslied, der italienische Partisanenhit.

Im hiesigen Sommer aber ballen sich eher wieder die Festivals, bei denen ganz bestimmt keine Sommerhits zu hören sind, nicht die leichtherzigen Melodien (obwohl: die mag man vielleicht doch hier und da finden nächste Woche bei dem Festival Pop-Kultur). Aber muss ja nicht immer Hit sein. Es muss sich nicht alles freibadtauglich hören. Da geht noch mehr in der Musik als nur die groben Reflexe.

Was für das feinmotorische Hören ist zum Beispiel das von dem Klangkünstler und Netzwerker Ignaz Schick konzipierte Flux Festival, bei dem man sich nächste Woche, vom 13. bis 19. August, im Spektrum Berlin in der Neuköllner Bürknerstraße einen umfassenden Überblick verschaffen kann, was da in der hiesigen Experimentalmusikszene alles möglich ist. Erwarten darf man eine stilistische Vielfalt, Free Jazz, Echtzeitmusik, Elektronisches und allerlei Spielarten im Umgang mit Geräuschen bis hin zum Krach sowieso. Noise. Nur halt nicht unbedingt sommerlich Beschwingtes.

Von den 30 beim Flux Festival auftretenden KünstlerInnen soll mal Andrea Belfi schon deswegen erwähnt werden, weil der aus Italien kommende Musiker mit ganz wenig an Klängen und Spielmaterial – sein Hauptinstrument, das Schlagzeug, ist wirklich extrem spartanisch bestückt –, eine dicht organisierte Musik in ungemeiner Fülle zu machen versteht. Beim „A l’arme!“-Festival, das den Festival-August ja eingeläutet hat (eigentlich war es ein Sturmläuten), war es gerade wieder zu hören. Dort spielte Belfi im Duo mit Valerio Tricoli, beim Flux Festival wird es, der Logik des Festivals folgend, ein Soloauftritt sein.

Beim international besetzten Flux Festival sind KünstlerInnen zu hören, die Berlin als Basis haben; international ist auch Mikromusik, das Festival für experimentelle Musik und Sound Art, bei dem sich gleichfalls nächste Woche vom 15. bis 19. August in der daadgalerie und im Theater im Aufbauhaus die Gäste des Berliner Künstlerprogramms des DAAD präsentieren. Da darf man sich zum Beispiel bei einem Noise-Konzert auch in die elektronischen Musikkulturen des südostasiatischen Raums vertiefen.

Allerlei Spielarten im Umgang mit Geräuschen bis hin zum Noise. Nur halt nichts sommerlich Beschwingtes

Außerdem wartet da noch Berlin Atonal (vom 22. bis 26. August im Kraftwerk). Der Name sagt es bereits: Auch bei diesem Festival für allerlei Experimentelles trägt man musikalisch nicht unbedingt Hawaiihemd.

Und dann ist der August auch schon wieder vorbei.

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