Leonie Gubela
Mitarbeiter der Woche
: Tyler Mitchell

Illustration: Inga Israel

Tyler Mitchells erstes Bild auf Instagram ist ein Selbstporträt. Er sitzt im rosa Sweatshirt vor rosa Hintergrund mit kindlichem Gesicht, die Hände im Schoß, sein Blick starr in die Kamera gerichtet. Titel: „Neu“. Das ist drei Jahre her.

Vor sechs Tagen hat er wieder etwas gepostet: Dieses Mal kein Selbstporträt, sondern ein Bild von Beyoncé. Es zeigt die Sängerin in einem Korsagenkleid, sie hält ein weißes Laken, das hinter ihr flattert. Titel: „Beyoncé, fotografiert von mir, auf dem September-Cover der amerikanischen Vogue“. Eine Sensation, denn damit ist Mitchell der erste schwarze Cover-Fotograf in der 126-jährigen Geschichte der Vogue. Zugleich ist der 23-Jährige einer der jüngsten.

Maßgeblich an seinem Engagement beteiligt ist die Fotografierte selbst. Beyoncé, Star der wichtigsten Ausgabe des Jahres, willigte prompt ein, als der Kreativdirektor von Condé Nast ihr Mitchell vorschlug. Im Vogue-Interview sagt sie, sie wolle „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ für Menschen mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen schaffen, die vielleicht das Gefühl hätten, ihre Stimme zähle nicht. Auf Mitchell bezogen sagte Beyoncé: „Wenn wir nicht anfangen, die Perspektiven verschiedener Ethnien hinter der Kamera zuzulassen, bleibt unser Blick auf die Welt beschränkt.“

Aufgewachsen ist Mitchell in Atlanta, wo er sich mit YouTube-Videos das Filmen beibrachte. Er studierte Filmwissenschaften an der renommierten Tisch School of the Arts der New York University, porträtierte die skateboardende Jugend Kubas und drehte Musikvideos für Indiebands. Marken wie Givenchy und Marc Jacobs wurden auf seinen Instagram-Account aufmerksam, er schoss erste Modestrecken und veröffentlichte parallel immer wieder Porträts seiner Generation: Junge Schwarze, inszeniert vor knalligen Farben.

Vor wenigen Monaten filmte er für die digitale Ausgabe der Teen Vogue Überlebende des Amoklaufes an der Parkland High School in Florida, darunter die Aktivistin Emma González. Dabei lässt er die SchülerInnen Nachrichten von KlassenkameradInnen vom Tag der Schießerei vorlesen.

In einem selbst gedrehten Video sagt er, er wäre glücklich, wenn er für den Rest seines Lebens Bilder und Filme machen könne, die etwas bedeuteten. Nach seinem Vogue-Cover stehen die Chancen gut. Denn was für viele FotografInnen der Höhepunkt ihrer Karriere ist, scheint bei Mitchell erst der Anfang zu sein.